Schweriner Erklärung des AfS, VDS, BDK und BV.TS

zur Einrichtung eines „Lernbereichs Ku¨nste“ in der Stundentafel allgemein bildender Schulen

– anlässlich eines gemeinsamen Treffens beim Wettbewerb „Schultheater der Länder“ in Schwerin am 20.09.2013 –

I
Die künstlerischen Schulfächer Kunst, Musik und Theater erschließen Begabungspotenziale, tragen zur ästhetischen „Alphabetisierung“ bei und ermöglichen kulturelle Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler. Sie wirken identitätsbildend und bieten ideale Ansatzpunkte für eine Öffnung von Schule und zur Entwicklung von Schulkultur. Die Bildungspotenziale der Künste haben aber auch ihren Eigenwert, finden ihren Sinn in den Künsten selbst, vor und jenseits all dieser Transfer- und Sekundäreffekte.

II
Der Status als einzelne Fächer mit eigenen Fach- und Jahrgangsprofilen sowie konsekutiv aufbauenden Curricula muss in jedem Fall erhalten bleiben. Die Rezeption und Produktion der ästhetischen (Welt-)Zugänge sind in den Künsten verschieden. Sie setzen eine jeweils eigenständige fachliche und pädagogische Kompetenz und Professionalisierung durch ein Fachstudium und Referendariat voraus. Soweit sich Schulen über Fächer organisieren, werden Bestrebungen abgelehnt, die Künste in einem gemeinsamen Kultur-Fach oder in einem Lernbereich aufgehen zu lassen, um die einzelnen Fächer zu ersetzen. Es kann keine inhaltlichen Argumente geben, die solche Bestrebungen bzw. curriculare Vorgaben für den ästhetisch-expressiven Bereich rechtfertigen würden, nicht aber auch für den naturwissenschaftlichen, sprachlichen oder historisch-gesellschaftlichen Bereich.

III
Wie für alle anderen Fächer auch, ist es Aufgabe der künstlerischen Fächer, sich zu öffnen: für neue künstlerische Entwicklungen, für weitere Kunstformen sowie für ergänzende inner- und außerschulische Kooperationen. Den Projektgedanken eines „Lernbereichs Künste“ halten wir als Methode periodisch für möglich, sofern solche „Projekte“ die wöchentlichen Fachunterrichtsstunden nicht ersetzen und sich auf die jeweiligen Rahmenpläne beziehen. Aus Erfahrung sehen wir darüber hinaus große Schwierigkeiten bei der regelmäßigen Umsetzung von Projektphasen unter Beteiligung mehrerer Fächer. In der Praxis ist es unter den gegebenen Rahmenbedingungen leider so gut wie unmöglich, die Unterrichtszeiten von zwei bzw. drei Fachkolleg/-innen auch nur für zwei Unterrichtstunden in einem Fach zu koppeln, selbst wenn sie an der Schule vorhanden wären – wovon angesichts des Fachkräftemangels gerade in den künstlerischen Fächern an vielen Schulen nicht ausgegangen werden kann.

IV
Wir sehen einen „Lernbereich Künste“ daher im besten Falle als ein zusätzliches Unterrichtsangebot, das eine Möglichkeit bieten könnte, den Schülerinnen und Schülern aus den verschiedenen Fachansichten ein bestimmtes Thema in Ergänzung zum regulären Fachunterricht erfahrbar zu machen und so curricular abgestimmte Inhalte gegebenenfalls weiter zu vertiefen. Dazu müssten allerdings die Fach-Curricula aller beteiligten Fächer und die Unterrichtsplanungen aller beteiligten Kolleginnen und Kollegen an der betreffenden Schule untereinander abgestimmt werden. Dies bedeutete einen erheblichen zusätzlichen Organisations- und Zeitaufwand, der stets zu berücksichtigen wäre.

V
Auch Projekte und Kooperationen mit außerschulischen Partnern aus dem Sektor der Kulturellen Bildung sind nicht unwichtig, können aber ebenso wenig den grundständigen Unterricht in den künstlerischen Disziplinen ersetzen. Ein Verzicht auf Teamarbeit bzw. der Ersatz von Fachlehrer/-innen durch außerschulische Kräfte ist ebenso entschieden abzulehnen, weil sie dem kooperativen Charakter dieser Unterrichtsform entgegensteht.

VI
Gleichzeitig stehen die künstlerischen Schulfächer vor weiteren Herausforderungen: Mit Blick auf die bildungspolitischen Zerreißproben und auf die Qualität des künstlerischen Fachunterrichts ist die kontinuierliche Klärung didaktischer Dimensionen und Zielvorstellungen, aber auch ein nicht allein kompetenzorientierter Bildungsbegriff notwendig. Es gilt, künstlerische Entwicklungen (auch in den Nachbardisziplinen) zu beachten und aufzunehmen, einen weiten Bildungs- und Kulturbegriff sicherzustellen, sich für neue Praxen und Projekte zu öffnen sowie Inhalte und Methoden zu erweitern. Hier sind im Besonderen auch die Bildung und die Fortbildung von Lehrer/-innen gefragt, die gegenwärtig allerdings eher geschmälert als intensiviert werden.

(Arbeitskreis für Schulmusik e.V., Verband Deutscher Schulmusiker e.V., BDK Fachverband für Kunstpädagogik e.V., Bundesverband Theater in Schulen e.V.)