Online-Gesprächsreihe ‚Kunstunterricht nach dem Oktoberpogrom‘ – Analyse, Konzepte, Unterstützung. Eine Online-Gesprächsreihe des BDK-NRW für Kunstlehrerinnen und Kunstlehrer‘ – nächster Termin 28. Mai 2024

Die Gesprächsreihe stellt Themen und Reflexionsanlässe für den Kunstunterricht zu Antisemitismus und antisemitischen Bildern vor. Im Gespräch mit Expertinnen und Experten wird es dabei Gelegenheit gegeben, die komplexen Zusammenhänge zwischen aktuellen wie historischen, religiösen wie politischen, ‚linken‘ wie ‚rechten‘ Ideologien in Kunst, Kultur und weiteren Zusammenhängen und Diskursen zu erschließen, die im Zusammenhang mit dem Optoberpogrom und seinen Folgen relevant sind, und gemeinsam über Themen und Grundfragen des Kunstunterrichts nachzudenken, die sich hieraus ergeben.

Zu den einzelnen Online-Gesprächsrunden wird zunächst jeweils eine Expertin oder ein Experte ca. 30 Minuten zu einem für den Kunstunterricht relevanten Aspekt des Themenfeldes vortragen. Danach wollen wir miteinander ca. 30 Minuten lang über Möglichkeiten sprechen, dies im Unterricht praktisch werden zu lassen. Beispiele aus der eigenen Praxis und Erfahrung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind dabei sehr willkommen.
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Um Ihnen den Zugangslink für die Online-Gesprächsreihe zusenden zu können, benötigen wir Ihre Anmeldung hier:
https://bdk-online.info/nw-de/Formulare/anmeldung_gespraechsreihe_oktoberpogrom/
Willkommen sind sowohl Mitglieder des BDK als auch Nicht-Mitglieder.
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Programm – folgende Termine stehen bereits fest:
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Dienstag, 28. Mai 2024, 18.15 – 19.15 Uhr
Dr. Marina Chernivsky (Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung in Trägerschaft der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V.)
Zur Situation jüdischer Schülerinnen und Schüler in der Bundesrepublik Deutschland
Wie zeigen sich antisemitische Haltungen und Strukturen im schulischen Alltag? Wie nehmen jüdische Schülerinnen und Schüler dies wahr? Welche Traumatisierungen schaffen hier Desinformation und Entsolidarisierung? Gibt es eine neue Qualität des Antisemitismus, wie stellt er sich dar? Und welche Erfahrungen gibt es mit Prävention und Intervention? Vor dem Hintergrund einer langfristigen Studienreihe zu Antisemitismus an Schulen, aus der Beobachtung der neueren Entwicklungen und vor dem Hintergrund der Erfahrung in der Präventionsarbeit bietet der Vortrag einen sachlichen Einblick in die Sachlage und zeigt Handlungsperspektiven auf. Im anschließenden Gespräch sind auch eigene Beobachtungen und Erfahrungen sehr willkommen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im schulischen Alltag machen. Besonders werden wir in diesem Teil der Gesprächsrunde auch überlegen, was Kunstunterricht hinsichtlich der Wahrnehmung wie auch hinsichtlich der Prävention aus den Eigenarten des Faches heraus leisten kann.
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Die Terminmitteilung folgt in Kürze.
Prof. Dr. Ulrich Heinen (Institut für angewandte Kunst- und Bildwissenschaften, Bergische Universität Wuppertal)
Zur jüdischen Perspektive als Grundlage der Werkinterpretation (Warburg, Panofsky, Didi-Huberman)
Pathosformel, Atlas und Ikonologie – drei grundlegende Konzepte einer kunstpädagogisch intendierten Kunstwissenschaft wurden von jüdischen Kunsthistorikern (Aby Warburg und Erwin Panofsky) in konkreten historischen Situationen entwickelt und kritisch weiterentwickelt (Georges Didi-Huberman). Daß dies von der spezifischen historischen Perspektive des Lebens als Juden vor, während und nach der Zeit des nationalsozialistischen Antisemitismus geprägt ist, wurde bislang kaum bedacht. Gerade durch diese Einsicht gewinnen diese Methoden aber zusätzliche allgemeinmenschliche Bedeutung und öffnen für einen kunstpädagogisch noch substantielleren Umgang mit Bildern im Kunstunterricht generell. Nach einer knappen Einführung gibt die Gesprächsrunde Raum, eigene Umgangserfahrungen mit Bildern im Kunstunterricht hieraufhin zu reflektieren, und zeigt konkrete Möglichkeiten eines Nachdenkens mit Schülerinnen und Schülern über die in jedem Bildumgang liegende historische Verantwortung auf.
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Dieser Gesprächsrunde mußte leider vertagt werden.
Die Mitteilung eines neuen Termins erfolgt hier in Kürze
Dienstag, 23. April 2024, 18.15 – 19.15 Uhr
Oliver Vrankovic (Elternheim Pinkhas Rozen, Ramat Gan; Deutsch-Israelische Gesellschaft der Region Stuttgart)
Beobachtungen zur Darstellung des israelisch-palästinensischen Konflikts in deutschen Medien und im Kulturaustausch
Der in Israel lebende freischaffende Journalist Oliver Vrankovic stellt in seinem Impulsvortrag dar, wie in deutschen Medien u.a. durch einseitige und vereinfachte Darstellungen des komplexen israelisch-palästinensischen Konflikts nicht selten antizionistische Narrative erzeugt werden. Statt als Heimstätte für Jüdinnen und Juden und Zufluchtsort vor antisemitischer Verfolgung wird Israel in der Berichterstattung nicht selten als Kolonial- und Apartheidstaat sowie als negativer Hauptakteur im Nahostkonflikt dargestellt. Nach dem 7. Oktober wurde aus der verzerrten Berichterstattung in vielen Fällen eine Falschberichterstattung, die nicht nur die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt sondern sich geradezu in den Dienst der antiisraelischen Propaganda stellt. Dem stellt Vrankovic, der in Deutschland geboren wurde, seit 2007 in Israel lebt und arbeitet, seine Erfahrungen im Kulturaustausch entgegen, in dem junge Menschen mit gleichen Leidenschaften die Welt der Gerüchte und Falschdarstellungen zu überwinden beginnen. In dem an den Vortrag anschließenden Gespräch wird es auch um Möglichkeiten gehen, diese Aspekte vom Kunstunterricht ausgehend angemessen zu thematisieren und in diesem Wissen den Internationalen Austausch zwischen Kindern und Jugendlichen zu fördern.
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Um Ihnen den Zugangslink für die Videokonferenzreihe zusenden zu können, hier noch einmal der Link zu dem Anmeldetool:
https://bdk-online.info/nw-de/Formulare/anmeldung_gespraechsreihe_oktoberpogrom/
Last Minute-Anmeldungen bitte parallel ggf. auch direkt an Ulrich Heinen, heinen@netcologne.de (wir werden versuchen, auch diese jeweils noch zu berücksichtigen).
Willkommen sind sowohl Mitglieder des BDK als auch Nicht-Mitglieder.
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Zum Konzept der Online-Gesprächsreihe
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Im Vorgriff auf die in Kürze hier sowie per Rundmail bekanntzugebenden weiteren Referentinnen und Referenten, Themen und Termine gibt diese Liste einen Vorausblick auf die vorgesehenen Themenfelder:
– Erfahrungen von antijüdischer, antiisraelischer und antisemitischer Sprache und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen,
– aktuelle antijudaische und antiisraelische Bildpropaganda in ‚sozialen‘ Medien,
– Antisemitismus als Thema anderer Schulfächer,
– der Antisemitismus des Postkolonialismus,
– Antisemitismus in Kunst- und Kultursystem,
– die documenta 15 als Beitrag zum kulturpolitischen Vorfeld des Oktoberpogroms,
– jüdische Beiträge zu Kunst und Kunstrwissenschaft,
– antijudaistische Ikonographien in der europäischen Kunst der Vormoderne,
– antizionistische Ikonographien in westliche und globaler Kunst und Karikatur,
– kulturübergreifende Aspekte visuell inszenierter Opfermythen als Gewaltmotivation.
Da die Planung noch nicht abgeschlossen ist, sind weitere Vorschläge für Themen sowie für Referentinnen und Referenten herzlich willkommen.
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Am 7. Oktober 2023, dem jüdischen Festtag ‚Simchat Torah‘ (שִׂמְחַת תּוֹרָה, Fest der Freude über die Torah), haben Terroristen der Hamas und Zivilisten aus Gaza über 1.100 Menschen in Israel ermordet und dies sowie weitere Verbrechen in demonstrativ sadistischer Weise inszeniert. Schon unmittelbar danach bestimmte auch hierzulande in einer klassischen Täter-Opfer-Umkehr ein Gemenge antijudaischer, antisemitischer und antiisralischer Parolen, Bilder und Gewalttaten die Öffentlichkeit im Internet und auch auf den Straßen dieses Landes.
All dies hat fassungslos gemacht. In manchen Schulen drängt das Thema auf die Tagesordnung, in anderen schleicht man vorsichtig darum herum, damit nichts eskaliert, an wieder anderen Stellen scheint man zur Tagesordnung zurückkehren zu können und kann die Bilder und das Bewußtsein doch nicht abschütteln, daß auch viele Schülerinnen sie gesehen haben und sie nicht mehr loswerden können.
Die Erwartungen, die sich nach dem Oktoberpogrom – etwa in Cem Özdemirs Bundestagsrede zum Gedenken an den 9. November 1938 (=> Link) – neu fokussiert an Bildung und Erziehung richten, stellen auch und gerade den Kunstunterricht hierzulande vor grundlegende pädagogische und fachliche Fragen. Die Bilder, in denen die Mörder ihre Verbrechen weltweit in Echtzeit verbreitet haben, das seither in der Öffentlichkeit und in ‚sozialen Medien‘ hieran Anschließende, insbesondere aber die nun unübersehbar gewordene Funktion aktueller Kunst und Kultur im Vorfeld (documenta 15) dieses Massenmordes und im Echo auf ihn setzen das Thema – zumal im Kontext des vom nationalsozialistischen Deutschland begangenen Holocausts und des daran anbindenden Bekenntnisses unseres Landes zum Existenzrecht Israels – auf die Tagesordnung des Unterrichtsfaches Kunst.
Vor einigen Jahren hat Horst Bredekamp betont, daß unter den Bedingungen der globalen Medienvernetzung terroristische Morde „mit und im Bild“ begangen werden (besonders ab 10:00: https://blog.degruyter.com/bildzensur-in-der-digitalmoderne-horst-bredekamp-im-gesprach/). Ob man will oder nicht: Das hat tiefgreifende Folgen für Bildverständnis und Bildumgang und auch für den Kunstunterricht. Wie kaum ein anderes Unterrichtsfach ist Kunstunterricht hier gefordert, dem Bildungsbedürfnis der Schülerinnen und Schüler, das sich hieraus ergibt, Raum zu geben.
Zugleich fühlt sich wohl jede und jeder von uns zunächst einmal hilflos, wie man mit diesem Komplex zurechtkommen soll. Die Online-Gesprächsreihe bietet Kunstlehrerinnen und Kunstlehrern daher Gelegenheit, aus dieser Sprachlosigkeit und Ohmacht herauszufinden und gemeinsam darüber nachzudenken und zu beraten,
– wie man nach diesem Massenmord und dem an ihn Anschließenden einen der Sache, dem konkreten Bildungsbedürfnis und -vermögen der Schülerinnen und Schüler Schüler sowie der historischen Verbindung unseres Landes zu Israel gerecht werdenden Kunstunterricht gestalten kann.
– wie man im Kunstunterricht damit umgehen kann, daß viele Schülerinnen und Schüler dies alles in den ihnen zugänglichen Medien oder auch in ihrem Lebensumfeld wahrgenommen haben und einschließlich hieraus oder aus unmittelbarer persönlicher Betroffenheit erlittener Traumatisierungen in ihre eigenen Lebenskontexte einzuordnen versuchen.
– wie sich der historische und systematische Bezug des Antijudaismus und Antiisraelismus, mit dem weite Bereiche der Kunst- und Kulturwelt auf diesen Massenmord reagiert haben und teils geradezu als dessen Vorfeldorganisationen erkennbar geworden sind, zur europäischen Geschichte der Antijudaismen, Antiisraelismen und Antisemitismen sowie zu deren historischer und aktueller medialer Präsenz einordnen läßt und wie dieser Bezug im Kunstunterricht sachgerecht thematisiert werden kann.
– was der Kunstunterricht dazu beitragen kann, unseren Schülerinnen und Schüler Antijudaismen, Antiisraelismen und Antisemitismen, die darin transportierten Auslöschungsintentionen in ihren spezifischen ikonographischen, historischen und ideologischen Kontexten sowie die aus der deutschen Geschichte folgende gemeinsame Schuld und besondere Verantwortung bewußt(er) zu machen.
– was sich mit dem Blick auf diese jüngsten Verbrechen in der schulischen Thematisierung der Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland bestätigt oder weiterentwickelt werden muß, zu denen das Oktoberpogrom insbesondere über die ideologischen Vorväter und Idole u.a. der Hamas (al-Qassam, al-Husseini) in direkter historischer Kontinuität steht.
– was dies alles für den Blick des Kunstunterrichts auf Jüdisches in Kunstgeschichte, Kunstwissenschaften und Kunstwelt bedeutet, und wie wir die lange Zeit hier kaum thematisierte jüdische Tradition und Gegenwart unserer gemeinsamen Kultur und unseres gemeinsamen Landes künftig auch im Kunstunterricht sichtbarer und besser verständlich machen können.

Hier nochmal der Zugangslink für die Online-Gesprächsreihe:
https://bdk-online.info/nw-de/Formulare/anmeldung_gespraechsreihe_oktoberpogrom/
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Bisherige Veranstaltungen der Gesprächsreihe

Dienstag, 5. Dezember 2023, 18.15 – 19.15 Uhr
Pastor Bernd Siggelkow („Die Arche“ Kinderstiftung, christliches Kinder- und Jugendwerk, Berlin Hellersdorf): Zusammenleben sollte keine Kunst sein.
Über Radikalisierungen sprechen – Beiträge zu ihrer Überwindung in Kunstunterricht und Jugendarbeit entwerfen.
Noch deutlicher als zuvor und klarer als meist im schulischen Unterricht sprechen viele radikalisierte muslimische Kinder und Jugendliche seit dem Oktoberpogrom in der Kinder- und Jugendarbeit aus, was sie über Andersgläubige und westliche Gesellschaften denken. Wie heftig das sein kann, was dann manchmal zur Sprache kommt, und wie wichtig hier intensivere Sozialarbeit wäre, hat der Arche-Sprecher Wolfgang Büscher am 10. November 2023 in einem Interview eindrücklich skizziert (=> Link). Zum Auftakt der Gesprächsreihe gibt die Online-Veranstaltung Gelegenheit, im Gespräch mit Pastor Bernd Siggelkow, dem Gründer und Leiter der Arche, authentische Erfahrungen aus der Kinder- und Jugendarbeit wahrzunehmen und in Beziehung zu eigenen Erfahrungen zu setzen. Sich der Realität zu stellen und nach Gründen und Perspektiven zu fragen, sind wir nicht nur den potentiellen und tatsächlichen Opfern von Haß und Gewalt schuldig, sondern auch den Kindern und Jugendlichen, die in radikalen Auffassungen gefangen sind und auf ihrem Weg in unsere Gesellschaft Unterstützung beim Abbau von Radikalisierung, Angst, Gewaltverherrlichung und -erfahrung sowie Vorurteilen benötigen. Hiervon ausgehend wird in der Online-Gesprächsrunde gemeinsam überlegt und ausgetauscht, was dazu vielleicht gerade Kunstunterricht im Sinne des in Landesverfassung und Schulgesetz NRW formulierten werteorientierten Bildungs- und Erziehungsauftrags beitragen kann. Zu fragen ist auch, wie man auch radikalisierte Kinder und Jugendliche möglicherweise im Zusammenwirken von Schule mit Kinder- und Jugendarbeit besser erreichen kann. Die Hoffnung ist es, so mittelfristig auch dazu beitragen zu können, daß jüdische Kinder, Jugendliche und Erwachsene in unserem Land künftig besser geschützt sind vor Anfeindungen und Übergriffen, denen sie aus radikalisierten Kontexten heraus auch hierzulande seit dem Oktoberpogrom noch stärker ausgesetzt sind als schon zuvor.
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Dienstag, 30. Januar 2024, 18.15 – 19.15 Uhr
PD Dr. Ingo Elbe (Institut für Philosophie der Universität Oldenburg
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Postkolonialismus, Antisemitismus und Israel – der „progressive“ Angriff auf den jüdischen Staat und die Holocausterinnerung
Postkoloniale Theorieansätze gewinnen weltweit einen immer größeren Einfluss an Universitäten, im Politik- und Kulturbetrieb sowie in sozialen Bewegungen. Das Bild, das prominente Vertreterinnen und Vertreter dieser Ansätze dabei von Antisemitismus und Holocaust einerseits, Judentum und Zionismus andererseits zeichnen, weist allerdings systematische Verzerrungen auf: Unterschiedliche Formen und Radikalitätsgrade der begrifflichen Entspezifizierung oder Verharmlosung von Antisemitismus, der Relativierung der Shoah sowie der Dämonisierung Israels und des Zionismus sind dabei festzustellen.  Der Vortrag gibt einen Überblick über diese theoretischen Strategien und ihre politischen Konsequenzen, die sich in Deutschland vor allem in der sogenannten Mbembe-Debatte, dem „Historikerstreit 2.0.“ und der documenta fifteen gezeigt haben und weltweit seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 die Gestalt einer beispiellosen Welle des ‚progressiven‘ Hasses auf Israel annehmen.
Im Anschluß an den Vortrag werden wir gemeinsam über mögliche Folgen dieser Einsichten für den Kunstunterricht nachdenken.
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Dienstag, 27. Februar 2024, 18.15 – 19.15 Uhr
Leonard Schmidt-Dominé (Kunstakademie Düsseldorf)
Antisemistismus im Kunstsystem – Kritik und Problemstellungen am Beispiel von documenta fifteen („make friends, not art“) und Joseph Beuys
Als Teilnehmer der documenta fifteen wird Leonard Schmidt-Dominé seine eigenen Erlebnisse dort und insbesondere seine Erfahrung mit Zensur darstellen. Die konzeptuellen Zusammenhängen seiner documenta-Arbeit „never ending hats“, die sich mit Antisemitismen der documenta fifteen befasst, und deren Abbildung er dankenswerterweise auch für die Ankündigung unserer Gesprächsreihe zur Verfügung gestellt hat, wird er im Kontext seiner künstlerischen Arbeit insgesamt erläutern. Hieran sowie an seinen Überlegungen zu aktuellen Diskursen zu relational aesthetics und kollektiver Kunstproduktion als Trend sowie zu sozialer Plastik und zur Politisierung des Ästhetischen/Ästhetisierung des Politischen werden sich im offenen Gespräch Überlegungen anschließen, wie dieser Komplex – auch zur Aufarbeitung der Teilnahme zahlreicher Schülerinnen und Schüler an der documenta fifteen – im Kunstunterricht berücksichtigen läßt.
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Dienstag, 19. März 2024, 18.15 – 19.15 Uhr
Dr. Klaus Hardering (Kölner Dombauhütte, Dombauarchiv)
Christlich-jüdische Geschichte in den Bildwerken des Kölner Doms
Wie in keinem anderen Kirchenbau kann man im Kölner Dom an zahlreichen Bildwerken die widersprüchlichsten Aspekte des ambivalenten Verhältnisses zwischen Juden und Christen über einen Zeitraum von ca. 750 Jahren wahrnehmen. Vom Judenprivileg von 1266, mit dem der Kölner Erzbischof Engelbert von Falkenburg Juden eine gewisse Rechtssicherheit verlieh, über die Stiftungen des Priesters Victor von Carben, der im 16. Jahrhundert als konvertierter Jude seine neue christliche Frömmigkeit beweisen wollte und sich dazu gegen seine frühere Religion stellte, bis zu verächtlich machenden Darstellungen wie dem „Judensau“-Relief im Chorgestühl des 14. Jahrhunderts und den Beiträgen jüdischer Bürger zur Vollendung des Doms im 19. Jahrhundert reicht diese Palette. Der Impulsvortrag gibt einen ersten Einblick in ein Thema, das dazu einlädt, auch mit Schülerinnen und Schülern Weiteres zu entdecken und zu erschließen. Das anschließende offene Gespräch dient auch für Überlegungen, wie sich das Thema im Kunstunterricht fruchtbar machen läßt.
Organisation: Ulrich Heinen
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Mittwoch, 10. April 2024, 18.15 – 19.15 Uhr
Dr. Christiane Twiehaus (MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln)
Synagogenarchitektur in Deutschland. Von Worms über Köln nach Hamburg
Synagogen sind als eigenständige Gebäude seit dem Mittelalter auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands belegt. Bis zum 19. Jahrhundert folgen sie dem jeweiligen Baustil der Zeit. Dann treten nicht nur wesentliche Neuerungen in den jüdischen Gemeinden ein, sondern daraus resultierend auch in der Architektur. Die Stildiskussion ist geprägt von Vorstellungen, historischen Zuschreibungen und auch antisemitischen Anfeindungen. Der Vortrag vermittelt Grundlagen zum Synagogenbau, zeigt ausgewählte Beispiele aus über 1000 Jahren bis in die Gegenwart und stellt Architekten vor, die besonders im 19. Jahrhundert die Synagogenarchitektur geprägt haben. Zum Schluss wirft der Vortrag einen Blick auf den Umgang mit leerstehenden bzw. zweckentfremdeten Synagogenbauten nach 1945 und die unterschiedlichen Bemühungen zur Wiederherstellung und Nutzung.
Anschließend werden wir miteinander ausloten, wie Synagogenarchitektur im Kunstunterricht thematisiert und durch Schülerinnen und Schüler erarbeitet werden kann.
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Dienstag, 30. April 2024, 18.15 – 19.15 Uhr
Lasse Schauder (Sara Nussbaum Zentrum für jüdisches Leben Kassel; Junges Forum DIG Kassel)
Revisiting documenta fifteen
Der Vortrag gibt einen Überblick über die antisemitischen Vorfälle auf der documenta fifteen und ordnet den ungenügenden Umgang mit diesen ein. Daran schließt sich die Frage nach vermeintlicher oder tatsächlicher Zensur und nach dem Begriff der Kunstfreiheit an, mit dem in der Diskussion um Antisemitismus der Kunst häufig ein instrumenteller Umgang festzustellen ist. Im anschließenden Gespräch besteht Gelegenheit, sich über die Erfahrungen auszutauschen, die in dieser Hinsicht mit der documenta fifteen insbesondere auch hinsichtlich der Einbeziehung und Reaktionen von Schülerinnen und Schülern gemacht wurden, und Konzepte zu entwickeln, wie dies im Zusammenhang von Kunstunterricht aufgearbeitet und künftig kunstpädagogisch thematisiert und berücksichtigt werden kann.
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Dienstag, 14. Mai 2024, 18.15 – 19.15 Uhr
Prof. Dr. Dietrich Grünewald (Institut für Kunstwissenschaft, Universität Koblenz)
Das Judenbild im Comic
Zur Markierung entsprechender Rollen hat die Bildgeschichte, analog dem Theater und der Bildenden Kunst und insbesondere der Karikatur, Stereotypen entwickelt, die mittels spezifischer visueller Merkmale den Betrachtern den gemeinten Typus signalhaft im „Erkennungskostüm“ vorstellt. Zum einen durch die jeweilige Bestätigung im Kontext der Erzählung, vor allem aber durch die ständige Wiederholung und den Gebrauch des Stereotyps als Muster in zahlreichen Werken wird allgemein verständlich, welche Rolle hier „gespielt“ wird. Allerdings mischen sich auch Vorurteile (positive wie negative), vereinfachte Klischees, gezielte Beleidigung und Herabsetzung mit „neutralen“ Darstellungen. So ist die Kennzeichnung einer Figur als „Jude“ in Comics hoch problematisch, basiert das bekannte und wiedererkennbare Stereotyp doch auf gezielt konstruierter Herabsetzung, ist aus antisemitischer Haltung und für antisemitische Hetze geschaffen und transportiert über Jahrhunderte diese negative Charakterisierung. Das wirkt auch dann mit, wenn der Inhalt des Erzählten gar nicht auf antisemitische Hetze zielt. Anhand ausgewählter Beispiele soll diese Problematik aufgezeigt werden. In dem an den Impulsvortrag anschließenden Gespräch über die Möglichkeiten dieses Themenfeld im Kunstunterricht anzugehen, sind auch eigene Erfahrungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit dem Thema und mit dem, wie Kinder und Jugendliche damit umgehen, sehr willkommen.
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Bildnachweis: Leonard Schmidt-Dominé: „Never Ending Hats“: Arnold Bode (l.), Joseph Beuys und eine antisemitische Karikatur von Taring Padi aus dem Wandgemäde „People’s Justice“, documenta fifteen, 2022; abgebildet mir Erlaubnis von Leonard Schmidt-Dominé.
Zu Entstehungskontext, Intention und Rezeption des Werks siehe Joshua Schultheis: Kontinuität in Kassel? Die documenta hängte ein kritisches Bild wieder ab. Das Werk thematisiert laut dem Künstler Antisemitismus in der Geschichte der Schau, in: Jüdische Allgemeine 15.09.2022 [https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/kontinuitaet-in-kassel/].