Ein Jahr ist schnell um, und wieder machten sich Kunstlehrerinnen und Kunstlehrer sowie Kulturbegeisterte in den Oktoberferien auf eine Bildungsreise, dieses Mal nach Antwerpen/Belgien. Der erste Knaller war unser Busfahrer, der sich vorstellte als James, wie James Bond – und stolz verkündete, er wäre der erste schwarze Busfahrer in Sachsen-Anhalt. Er wünschte uns eine sichere Fahrt und sorgte auch dafür. Für seine Fahrkünste erhielt er mehrfach Beifall, denn er fuhr in den engen Gassen Antwerpens, als könnte er „auf einem Bierdeckel wenden“.
Bei wechselhaftem Wetter stellten wir uns dem tollen Programm, das Angela Wilke gemeinsam mit zuarbeitenden Kollegen zusammengestellt hatte.
Eine erste Entdeckung war der Antwerpener Bahnhof, ein Jugendstil-Prunkbau, der abends wundervoll angeleuchtet wurde. Wer nicht zu seinem Zug eilen musste, konnte entspannt den freiwilligen Pianisten lauschen, die sich an dem aufgestellten Klavier präsentierten, und deren Klänge auf allen vier Ebenen des Bahnhofs zu hören waren.
Unser erster offizieller Besuch führte uns in das Museum Plantin-Moretus, wo wir am Eingang von einem Drucker empfangen wurden, der uns einen Druck mit Ensor-Motiven herstellte und schenkte. Was für ein Willkommen! Ätzradierungen oft koloriert mit teils morbiden, teils frivolen Motiven ließen so manches Künstlerherz höherschlagen. Auch eine wundervolle Bibliothek und Arbeitsräume mit Druckerpressen und Gusswerkzeugen für Metall-Lettern konnten bestaunt werden. Ein begrünter Innenhof lud zum Entspannen ein.
Am Nachmittag wartete ein Kontrastprogramm im Modemuseum (MOMU) auf uns. Es war Tag der offenen Tür, und neben der regulären Ausstellung gab es noch ein Mitmach-Programm für Schminkwütige und eine imposante Gaukler-Vorstellung. Die ausgestellte Mode begeisterte durch innovative Schnitte, Farben und Materialien. Storyboards, Zeichnungen und Entwürfe komplettierten die Präsentation ebenso wie Videos, Masken und Frisuren in Vitrinen. Die expressiven, teils surrealen Gemälde des belgischen Malers James Ensor wurden sehr unterschiedlich aufgenommen und kommentiert – in jedem Fall waren sie beeindruckend.
Die Regenschirme waren in Gent und Brügge scheinbar die einzigen Farbtupfer im trüben Grau. Das änderte sich erst, als sich in der Genter Sint Baafs- Kathedrale der Altar von Jan van Eyck langsam öffnete und die Grisaille-Malerei wechselte zu den Innentafeln in leuchtenden Rot- und Grüntönen umrahmt von Gold. Andächtig standen alle davor und beobachteten den fein gearbeiteten Faltenwurf und unendlich viele Details. Unseren Stadtführer in Brügge mussten wir erst einmal mit einer quietschgelben Regenpelerine ausstatten, damit er ohne größeren Schaden den Rundgang überstand. Mit vielen interessanten Anekdoten und persönlichen Einsichten zu Geschichte und aktuellen Entwicklungen belohnte er uns und seine kurzweilige Darbietung entschädigte uns für die unwirtliche Witterung.
Nach unserer Stadtführung in Antwerpen wissen wir nun auch, wie die Stadt zu ihrem Namen kam, und das „Hand-werfen“ kann man als Brunnenfigur auf dem Marktplatz erleben. Höhepunkt waren aber mit Sicherheit für alle die Rubensbilder in der Liebfrauenkathedrale, die sehr lebendig beschrieben wurden.
Immer wieder nutzten wir die Zeit zwischen den Programm-Punkten, um typische kulinarische Köstlichkeiten zu genießen, wie die berühmten (?) belgischen Fritten, belgische Schokolade oder belgisches Bier. Einige kauften sich sogar Motive aus geklöppelter Spitze.
Am Abend wartete noch ein architektonisches Highlight auf uns – das Havenhuis von Zaha Hadid. Die alte Hafenmeisterei wird von einem futuristischen Gebäude „gekrönt“, das durch Form und Material heraussticht. Einheimische streiten sich, ob es ein Schiff oder einen Diamanten darstellen soll. Vor dem abendlichen Sternenhimmel sah es aber eher aus wie ein Ufo, oder? So modern, wie es von außen zu sehen ist, sind auch die Arbeitsräume im Inneren ausgestattet, und überall kann man durch die verschiedendreieckigen Fenster auf den Hafen und die Stadt hinausschauen.
Den Abschluss der Reise bildete der Besuch der „Cindy-Sherman-Anti-Fashion“-Ausstellung im FOMO (Fotomuseum) mit beeindruckenden bekannten und noch weniger bekannten Arbeiten der Fotografin. Im Kunstpark Middelheim-Museum begrüßte uns ein Eisbär aus weißem Stein, der mit Adleraugen bewacht wurde, damit ihn keiner anfasst (sonst wäre er vielleicht auch nicht mehr weiß?). Der Spaziergang im Park war sehr entspannend und im Labyrinth der Wege überraschten uns die unterschiedlichsten Plastiken. Höhepunkt war das Depot – ein Platz, auf dem viele Figuren aus Stein und Metall abgestellt worden waren, für die man in der Stadt keinen Platz (mehr) hatte. Eigentlich schade um jedes einzelne Stück! Andererseits hatten wir so den Genuss verschiedenster Plastiken, von realistisch bis abstrakt, an einem Ort.
Nicht nur der Antwerpener Bahnhof am ersten Abend war eine Offenbarung, auch der Besuch des bereits restaurierten Gartens hinter dem Rubenshaus oder die Blumenausstellung eines Accessoires-Ausstatters, auf die wir durch Zufall gestoßen sind, haben uns bereichert – nicht alles kann geplant werden!
Wir fuhren mit vielen neuen Eindrücken wieder nach Hause uns freuen uns schon auf nächstes Jahr im Oktober – auf Wien (und Bratislava?).
Dank allen Organisatoren und unserem sicheren Busfahrer für diese tolle Reise!
Anette und Lothar Peters