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Didaktikfach Naturwissenschaft und Technik im Ersatz für Kunst, Musik oder Sport ???

redaktionby in Aktuelles 6 Min. Lesezeit 13. Januar 2020

Schreiben der Landesvorsitzenden des BDK e.V. Bayern vom Juli 2019 an MR Glasl zur geplanten Änderung der LPO I und die Antwort aus dem Kultusministerium an den BDK-Bayern vom 20. 09. 2018

Sehr geehrter Herr MR Glasl,

als Landesvorsitzende des Fachverbandes für Kunstpädagogik in Bayern BDK e.V. wende ich mich heute wegen der vorgesehenen Änderungsverordnung der LPO I an Sie: Im Studium an Grund- und Mittelschulen soll demnach anstelle der bisherigen Fächer auch das Fach „Didaktik der Naturwissen­schaft und Technik“ (NWT) belegt werden können.

Diese Änderung der LPO I wird aller Voraussicht nach zu einer weiteren Marginalisierung der ästhe­tischen Bildung in den entsprechenden Studiengängen führen. Da sowohl der gestaltende als auch medienkritisch-analytische Umgang mit Bildern in einer globalisierten, visuell orientierten Welt aber zentrale Bildungsaufgaben sind, bitten wir Sie eindringlich, diese Planungen nochmals zu überdenken.

Bislang mussten Studierende für die Lehrämter an Grund- und Mittelschulen wenigstens ein Didaktik­fach des musisch-sportlichen Bereichs auswählen. Dies bedeutet, dass diese Lehrkräfte schon heute nur in einem der Fächer Kunst, Musik oder Sport zumindest mit dem Lehrvolumen eines Didaktikfachs ausgebildet werden. Qualifizierter Unterricht in diesen Fächern aber beruht auf einer jeweils fachspe­zifischen didaktischen, methodischen und wissenschaftlichen Fundierung. Qualifizierter Kunstunter­richt umfasst zudem das Wissen um die Entwicklung ästhetischer Interessen und Fähigkeiten in der Kindheit bis hin zu den Spezifika des jugendkulturellen Ausdrucks. Aufgrund der prozessorientierten fachlichen Spezifik des Kunstunterrichts sind Methoden aus anderen Fächern nicht ohne weiteres übertragbar.

Mit der Einrichtung einer „Didaktik der Naturwissenschaft und Technik“ (NWT) als Alternative wird die Anzahl der Studierenden zunehmen, die ohne Kompetenzerwerb in Kunst oder einem der anderen ästhetischen Fächer in den Vorbereitungsdienst eintreten. Die vorgesehene Umverteilung der vorzu­weisenden Leistungspunkte lässt in der Folge eine zusätzliche Reduzierung der im Fach Kunst einzu­bringenden Leistungspunkte erahnen.

Für die dritte Phase – die andauernde Fortbildung der Lehrkräfte mit zweitem Staatsexamen – werden Fortbildungen in den nicht (oder nicht ausreichend) studierten, aber dennoch fachfremd ausgeübten Fächern bislang nicht zwingend vorgegeben und werden zudem kaum wahrgenommen. Das zur Ver­fügung gestellte staatliche Fortbildungsangebot reichte zuzeit allerdings auch bei weitem nicht aus, um diese fachlich nicht ausgebildeten Lehrkräfte ausreichend weiterzubilden.

Die Folge könnte nun auch in Bayern ein Kunstunterricht an Grund- und Mittelschulen sein, der sein ästhetisches Bildungs- und Erkenntnispotenzial mit rezeptartigen, didaktisch und methodisch sche­matisierten Lehrmitteln und Verlagsangeboten verfehlt. Dies hielten wir mit dem Anspruch des Frei­staates Bayern, ein Kulturstaat zu sein, in dessen Schulen eine auch die ästhetischen Fächer angemes­sen einbeziehende Allgemeinbildung erworben wird, für unvereinbar.

Zusammenfassung:
Über die vorgesehenen Änderungen der LPO I wird der Anteil fachlich ausgebildeter Lehrkräfte auch für das Fach Kunst sinken. Das Studium wird der wertvollen ästhetischen Bildungsprozesse beraubt, der Kunstunterricht an Grund- und Mittelschulen kann seinem Bildungspotenzial im Kontext der aktu­ellen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht gerecht werden.

Wir bitten Sie in diesem Sinne herzlich, Ihre Entscheidungen zu überdenken und zu Gunsten des Faches Kunst bzw. der Fächergruppe Kunst, Musik und Sport zu entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Barbara Lutz-Sterzenbach
Vorsitzende des BDK e.V. – Landesverband Bayern

Und hier das Antwortschreiben aus dem Kultusministerium vom 24. 07. 2019:

Sehr geehrte Frau Dr. Lutz-Sterzenbach,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 24. Juli 2019, in dem Sie zur Einrichtung des Didaktikfachs Naturwissenschaft und Technik (NVVT) Stellung nehmen. Gerne übermittle ich Ihnen aus Sicht des zuständigen Fachreferats zu Ihrem Anliegen folgende Informationen:

Der Studiengang „Didaktik der Naturwissenschaft und Technik (NVvT)“ wurde zum Wintersemester 2009/2010 als Modellversuch für die Lehrämter an Grund- und Mittelschulen an der Universität Regensburg eingeführt Notwendig erschien die Erprobung insbesondere aufgrund der anhaltend geringen Affinität der Lehramtsstudierenden für das Lehramt an Grundschulen bzw. für das Lehramt an Mittelschulen für den naturwissenschaftlichen Bereich, insbesondere für die Fächer Physik und Chemie und ihre Didaktiken. Verstärkte MINT-Initiativen und entsprechende bundesweite sowie internationale Wettbewerbe, die Schülerinnen und Schülern neue Zugänge zu den Naturwissenschaften eröffnen sollten, verstärkten die Bemühungen um eine intensivere Professionalisierung der zukünftigen Grund- und Mittelschullehrkräfte in den Themenfeldern der Physik und der Chemie.

Bei der Konzeption des Modellversuchs orientierte man sich an mehrperspektivischen und zugleich insbesondere techniknahen Zugangsweisen, wie sie sich auch in den Lehrplänen der beiden Schularten Grund- und Mittelschule finden.

Nach einer entsprechenden Erprobungsphase und anschließender Evaluation lud das Staatsministerium die Fachvertreter der Didaktiken der Naturwissenschaften aller Universitäten im Jahr 2015 zu einem Fachgespräch, in dem eine mögliche Verankerung des Faches NWT sowie seine Ausgestaltung erörtert wurde

Als Ergebnis der an der Universität Regensburg erfolgreichen Erprobungsphase wird den Universitäten nun mit der bevorstehenden Änderung der LPO I die Möglichkeit eröffnet, das Fach „Didaktik der Naturwissenschaft und Technik u auf der Basis der LPO I im Rahmen der Didaktiken anzubieten. Eine Verpflichtung der Universitäten ist damit in keiner Weise verbunden.

Sehr geehrte Frau Dr. Lutz-Sterzenbach, ich danke Ihnen sehr für Ihren Einsatz insbesondere für die künstlerisch-ästhetischen Fach- und Denkperspektiven in der Lehrerbildung, die auch mir sehr am Herzen liegen!

Das Fach „Didaktik der Naturwissenschaft und Technik“ ist jedoch, das möchte ich noch einmal unterstreichen, gerade als Reaktion auf die geringe Affinität der Lehramtsstudierenden zu den naturwissenschaftlichen Fächern zu verstehen, die sich bisher in sehr geringen Studierendenzahlen im Vergleich zum musischen Bereich niederschlägt. Mit der Einführung des Studienfaches „Didaktik der Naturwissenschaft und Technik“ ist somit keine Marginalisierung der künstlerisch-ästhetischen Perspektiven im musischen Bereich der Grundschule zu erwarten, zumal die Verpflichtung zum Erwerb der Basisqualiflkationen in den drei Fächern Kunst, Musik und Sport als Voraussetzung für eine Zulassung zur Ersten Lehramtsprüfung für Studierende des Grundschullehramts auch nach der ergänzenden Einführung des optional zu wählenden Didaktikfachs NVVT erhalten bleibt und somit weiterhin der Stärkung dieses Bereiches dient.

Vielmehr ist zu wünschen, dass die Expertise und Kompetenz unserer Grund- und Mittelschullehrkräfte, deren besondere Stärke gerade in der fachlich breiten Aufstellung und in der fachlich begründeten methodisch didaktischen Vielfalt liegt, künftig durch eine etwas stärker ausgeprägte naturwissenschaftlich-technische Komponente ergänzt wird. Somit ist die nun vorliegende Änderung der LPO I in 535 und S37 im Sinne einer fundierten Ausbildung in allen schulisch relevanten Fächern zu verstehen.

Die einzelnen Universitäten werden im Rahmen der Hochschulautonomie über die Einführung des Faches befinden.

Für die Phase III der Lehrerbildung steht Lehrkräften in Bayern ein breitesSpektrum an Fortbildungen im musischen Bereich an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) in Dillingen sowie im Rahmen regionaler und schulhausinterner Angebote zur Verfügung. Daneben besteht auch die Möglichkeit, sich durch die Fachberater Kunst in Fragen künstlerischen Bildung beraten zu lassen.

Sehr geehrte Frau Dr. Lutz Sterzenbach, dass der Fachverband für Kunstpädagogik BDK e.V. sich für die Förderung der künstlerischen und kulturellen Bildung und der ästhetischen Erziehung einsetzt und seine Angebote auch interessierten Lehrkräften zur Verfügung stellt, ist nicht hoch genug zu schätzen. In diesem Sinne möchte ich mich herzlich bei Ihnen für Ihr Engagement bedanken und wünsche Ihnen für Ihre wertvolle Arbeit auch weiterhin viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Gisela Stückl
Ministerialrätin

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