Was ist passiert?
Aktuell plant das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein eine Änderung des Erlasses „Kontingentstundentafeln für die Grundschule, die Regionalschule, für die Gemeinschaftsschule und für das Gymnasium (Sekundarstufe I)“. Hintergrund ist die Einführung des Pflichtfaches Informatik in der Mittelstufe.
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Anhörungsanschreiben Kontingentstundentafel
Was steht auf dem Spiel?
Es wäre eine Katastrophe für die ästhetischen Fächer, wenn Schulen dieses Mindestkontingent umsetzen würden, denn dann würden diese 7 Stunden unter 3 Fächern auf einen Zeitraum von 6 Schuljahren aufgeteilt werden können.
F. Rückert
Um für das Fach Informatik Platz zu machen, sieht der Erlass unter anderem vor, ein Mindestkontingent mit 7 Stunden verteilt auf 6 Jahre (Klasse fünf bis zehn) für die drei ästhetischen Fächer Kunst, Musik und Darstellendes Spiel zu formulieren. Ganz konkret könnte dies also für die gesamte Mittelstufe jeweils eine Doppelstunde pro ästhetischem Fach bedeuten plus eine zusätzliche Bonusstunde – das war’s mit der ästhetischen Bildung in der Mittelstufe. Dies stellt eine nicht hinnehmbare Bedrohung für unser Fach und unseren Unterricht dar!
Was der BDK-SH bisher getan hat!
Hierzu haben wir uns mit dem Bundesverband Musikunterricht Landesverband S-H und dem Förderverband Darstellendes Spiel SH ausgetauscht und jeweils Stellungnahmen verfasst.
Auch Prof. Dr. Friederike Rückert Professorin für Kunstpädagogik / Bildende Kunst an der Europa-Universität Flensburg hat sich mit einer Stellungnahme an das Ministerium gewandt.
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Kontingentstundentafel Rückert EUF
Auch die Muthesius Kunsthochschule hat Stellung genommen:
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Stellungnahme Muthesius
Folgende Punkte waren in der Stellungnahme des BDK SH zentral:
- Wir begrüßen die Einführung des Mindestkontingents Ästhetik unter der Voraussetzung, dass dieses nicht zu einer Verminderung der Stundenzahl in den Fächern des Fachbereichs führt. In keinem anderen Fach können die für das 21. Jahrhundert als zentral angesehenen Kompetenzen Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und kritisches Denken so maßgeblich gefördert werden, wie im Kunstunterricht. Dieser eröffnet den Lernenden kulturelle Teilhabe, Selbstwirksamkeitserfahrung und trägt in hohem Maße zur Identitätsbildung bei. Insbesondere angesichts der aktuellen Herausforderungen fördert der Kunstunterricht bei Schülerinnen und Schülern die dringend notwendige Ambiguitätskompetenz, die es ermöglicht mit zunehmender Komplexität, Mehrdeutigkeit und Unsicherheit umzugehen und zu aktiven Gestalterinnen und Gestaltern der digitalen Welt zu werden. Im Zuge der Digitalisierung hat sich die Bedeutung des Bildes in Kommunikationsprozessen noch einmal exponentiell erhöht, so dass Bildkompetenz eine fundamentale Kulturtechnik unserer Zeit ist. Kunst ist das einzige Fach, das Bildkompetenz als ihr zentrales Anliegen hat. Und „bis heute konnten Forscherinnen und Forscher nichts Vergleichbares finden, das die kognitive Leistungsfähigkeit von Kindern in ähnlicher Weise bzw. Dimension fördert wie Musik- und Kunstunterricht.“ (OECD Lernkompass 2030). Insofern müssen Erfahrungs- und Lernprozesse mit Bildern als unverzichtbare Elemente allgemeiner Bildung zu den Basisqualifikationen neben Lesen, Schreiben und Rechnen gezählt werden.
- Im Sinne einer umfassenden Allgemeinbildung der Lernenden sprechen wir uns deutlich gegen eine Herauslösung der Stunden für Informatik aus nur einem Fachbereich aus. Diese Maßnahme würde nicht zur Schärfung eines schuleigenen Profils führen, sondern vielmehr dazu führen, den Mangel an Kunstlehrkräften zu verschleiern und den bereits bestehenden Missstand fachfremd erteilten sowie fehlenden Kunstunterrichts zur Norm zu legitimieren. Dagegen sprechen wir uns als BDK SH vehement aus. Da der Mangel an Kunstlehrkräften für die Sekundarstufe 1 insbesondere an Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe zu verzeichnen ist, bedeutet eine Reduktion der ästhetischen Fächer eine besondere Benachteiligung von Schüler*innen, denen im privaten Bereich weniger Möglichkeiten ästhetischer außerschulischer Bildungsangebote zuteilwerden. Diese Form der Verschärfung von Bildungsungerechtigkeit ist abzulehnen. Ein Schulprofil ohne ästhetische Bildung und ohne das Fach Kunst kann und darf nicht legitim sein.
- Unterricht im Sinne der Fachanforderungen, verankert im Schleswig-Holsteinischen Schulgesetz (SchulG) mit von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossenen Bildungsstandards, ist mit einer Mindeststundenzahl von 7 Stunden (in der gesamten Sekundarstufe I – also sechs Jahren) und verteilt auf drei Fächer (KUN/ MUS/ DSP) nicht möglich. Das Fach Kunst umfasst laut Fachanforderungen 9 Arbeitsfelder, deren Abdeckung verpflichtend ist. Dies ist nur möglich, wenn das Fach Kunst durchgehend in der Sekundarstufe 1 unterrichtet wird. Der BDK SH fordert ein Stundenvolumen, das es Kunstlehrkräften ermöglicht, fachanforderungskonform unterrichten zu können.
- Die Hinzunahme des Faches Darstellendes Spiel in den ästhetischen Bereich im Gymnasium muss eine Erhöhung der Gesamtstundenzahl in den ästhetischen Fächern zur Folge haben. Im vorliegenden Vorschlag ist hingegen eine Reduktion der Stunden für die Fächer Kunst und Musik die Konsequenz. Dies ist nicht tragbar. Die ästhetischen Fächer sind nicht gegeneinander austausch- oder ausspielbar, sie vermitteln vielmehr verschiedene und gleichermaßen hochgradig relevante Kompetenzen. Der Deutsche Kulturrat fordert in seiner Stellungnahme „Künstlerische Schulfächer gehören zum unverzichtbaren Bildungsauftrag von Schulen“ aus dem Jahr 2021 z. B. eine Mindeststundenzahl von zwei Stunden pro Woche in allen Schulformen und -stufen für Kunst, Musik und Darstellendes Spiel. Dieser Forderung schließen wir uns als BDK SH an.
Die gesamte Stellungnahme ist hier
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Stellungnahme BDK SH Sek1
nachzulesen. Sie wird durch ein ergänzendes Schreiben unseres Bundesvorstands
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Stellungnahme Kontingentstd
flankiert.
Der BDK SH fordert ein höheres Mindestkontingent für die ästhetischen Fächer in der Sekundarstufe I und ein eigenes Mindestkontingent für das Fach Kunst in der Sekundarstufe 1. sowie für die Grundschule!
Setzen wir uns auch weiterhin gemeinsam für die Stärkung unseres Faches Kunst ein! Sollte der Erlass wie aktuell geplant zum 01.08.2024 in Kraft treten, wird dies insbesondere auch in unseren Schulen, in unseren Fachschaften und gegenüber unseren Schulleitungen wichtig sein, wenn es um die individuelle Ausgestaltung der Kontingentstundentafeln an unseren Schulen gehen wird!
