Kunst und aktuelle Medienkultur in der Schule 3
2007-2011 führte der BDK e.V. in Kooperation mit der Siemens
Stiftung und unterstützt durch die Robert Bosch Stiftung das
Stipendienprogramm »kiss« durch. Jedes Jahr entwickelten Studierende
der Kunstpädagogik in enger Zusammenarbeit mit renommierten
Künstlerinnen und Künstlern Unterricht, den sie anschließend an einer
Schule erprobten.
Im das Projekt abschließenden Durchgang 2010 arbeiteten die
Stipendiaten mit Christoph Girardet, Jakob Kolding, Gerald Nestler,
Susan Philipsz und Katarina Zdjelar zusammen.
Die dokumentierende Publikation ist nun erschienen.
Studierende der Kunstpädagogik treffen im Rahmen von »kiss« auf
Künstlerinnen und Künstler in deren Ateliers, Wohnungen oder
Ausstellungen. Sie begegnen ihnen auf Augenhöhe, denn sie wollen mit
ihnen arbeiten. Nicht künstlerisch, sondern auf der Ebene der
Vermittlung, der Initiierung von Bildungsprozessen.
Häufig ist diese erste Begegnung mit dem Künstler oder der Künstlerin
ein besonderes Erlebnis, gerade für Studierende, die nicht an
Kunsthochschulen studieren. Das Reisen in eine fremde Stadt, das
Betreten unbekannter Viertel, Gespräche zwischen Umzugskartons oder in
gut gesicherten Ateliers – auch in den Rahmenbedingungen der
Künstlergespräche vermittelt sich den Stipendiaten bereits eine
bestimmte Haltung, eine Sicht auf die Welt. Hier treffen
unterschiedliche Sichtweisen aufeinander, es gibt jedoch bestimmte
Schnittstellen. So haben die Stipendiaten ein Interesse an der Arbeit
›ihres‹ Künstlers und die Künstler Interesse an Vermittlungsformen.
Während der Treffen sprechen die Stipendiaten mit den Künstlern über
deren Arbeiten und über mögliche Unterrichtsprozesse. Sie entwerfen in
der Folge eine Unterrichtseinheit, die dezidiert die Arbeiten des
jeweiligen Künstlers zum Gegenstand hat, sich an der jeweiligen
künstlerischen Vorgehensweise orientiert oder auch die intensive
Auseinandersetzung mit einer Arbeit als Impuls für das eigene Gestalten
der Lernenden setzt. Die vertiefte Rezeption und Reflexion der
künstlerischen Arbeit ist Voraussetzung für die Initiierung von
Unterrichtsprozessen, in denen deutlich wird, dass oft bereits die
Arbeiten dieser Künstlerinnen und Künstler selbst an der Vermittlung
beteiligt sind und dass sie sich gegen einseitige Betrachtungsweisen
sperren.
Die Ausarbeitung des Unterrichts erfolgt am heimatlichen Schreibtisch –
in Abstimmung mit universitären Lehrenden, in Gesprächen in den
»kiss«-Workshops, in Rücksprache mit den Künstlern und in Absprache mit
Mentoren an der Schule.
In der Phase der Umsetzung beteiligt sich zuweilen der Künstler am
Unterrichtsgeschehen, stattet der Klasse einen Besuch ab oder trifft
die Schülerinnen und Schüler in einer Ausstellung. So hat zum Beispiel
Gerald Nestler einen Tag bei und mit den Schülerinnen und Schülern in
der Motorenhalle in Dresden verbracht. Er hat mit ihnen diskutiert, den
Aufbau der Ausstellung beratend begleitet und eine eigene Arbeit
ausgestellt. Immer jedoch agierte er als Experte und als
kommentierender Gast, nicht als Lehrer.
Ziel von »kiss« ist die Auseinandersetzung mit aktueller Kunst im Unterricht. Ausgewählter aktueller Kunst wird hier ein Bildungspotenzial zugesprochen. Ihr wird unterstellt, dass ihre Methoden und Strategien Schülerinnen und Schülern neue Handlungsfelder eröffnen und ihnen ermöglichen, im Verlauf kommunikativer Arbeitsprozesse ihre individuellen Weltsichten in eigene gestaltete Produkte zu überführen. Dabei geht es weder um Nachahmung noch um Instrumentalisierung von Kunst, sondern um Kunst als Möglichkeitsraum, als Repertoire von Methoden, als Vorstellung von Welt.
Im Zuge von »kiss« probieren Studierende der Kunstpädagogik mit
Schülerinnen und Schülern etwas aus. Sie praktizieren und haben dabei
die Möglichkeit und vor allem den Raum, zu experimentieren. Sie bewegen
sich nicht in festen (Lauf-)Bahnen, in gewohnten Mustern. Sie erproben
Neuartiges, auch für sie selbst Neuartiges, zunächst ungewohnt
Anmutendes.
Ähnlich arbeiten die Schüler. Ihr Interesse wird geweckt. Ihnen wird
etwas zugemutet. Sie erobern sich allen Widrigkeiten zum Trotz Räume,
dringen in Strukturen ein – sei es im Stadtraum oder im Netz – und
verändern sie von innen heraus. So eignen sie sich Aspekte von Kultur
an. Sie erlernen Handwerkszeug, entdecken Fähigkeiten und üben
Fertigkeiten, von der Collage über die Montage von Videos zum Mixen von
Klängen und Geräuschen. Und legen sich ein Repertoire an Methoden zu,
an Ausdrucksweisen und Handlungsmöglichkeiten, orientiert an aktueller
Kunst.
Nun gilt es, über »kiss« hinaus, den Prozess weiterzuverfolgen. Hierzu sind Kunstlehrende an den Schulen gefragt: Was bleibt? Welche Impulse sind anregend für die Praxis, an was lässt sich anknüpfen, was ist umsetzbar, welche Unterrichtsideen lassen sich in schulische Abläufe integrieren? Was muss abgewandelt, was kann weiterentwickelt werden?