40. Ingelheimer Tagung in Zusammenarbeit mit dem Landesverband Rheinland-Pfalz im BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik und der Arbeitsgemeinschaft Kunstgeschichte in der Kunstpädagogik im BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik
Die Tagung „Decolonizing Art History. Zur postkolonialen Revision europäischer Kunst“ nimmt die hochaktuellen identitäts- und kulturpolitischen Debatten etwa über einen neuen Umgang mit dem kolonialen „Erbe“ zum Anlaß, um deren Folgen für den Blick auf die europäische Kunst und deren Geschichte auszuloten.
Vor dem Hintergrund anhaltender Migrationsbewegungen, perpetuierter und neuer Formen des Kolonialismus, erstarkender Integrismen und Identitarismen sowie einer zunehmenden Bedeutungsverschiebung des Rassismusbegriffs wandelt sich auch die Erforschung der (Vor)Geschichte globaler Verflechtungen, kolonialer und binnenkolonialer Machtverhältnisse und der damit einhergehenden Konstruktionen des Eigenen und des Fremden.
Postkolonialen Forschungen folgend, gilt es zu prüfen, inwiefern diese Prozesse auch und möglicherweise besonders die bildenden Künste und ihre Historiographie betreffen. Zugleich ist zu fragen, wie sich Ansätze der Post Colonial Studies zu den historischen Begriffen der Konstitution von Macht und Herrschaft insgesamt und den zu deren Analyse in anderen Diskurszusammenhängen entwickelten Modellen und Ideologemen (z.B. Humanismus, Zivilisationsprozeß, Sozialdisziplinierung, Urbanisierung, Kapitalismus, Imperialismus, Modernisierung, Gender, Antisemitismus, Binnenkolonialisierung, Globalisierung) verhalten.
An ausgesuchten Werken fragt die Tagung im Sinne einer postkolonial perspektivierten Revision nach im- oder expliziten Kolonialismen. Im Zentrum steht dabei die Frage, auf welche Weisen und in welchem Umfang Werke der europäischen Kunst und die Kunstgeschichte selbst mit Kolonialismus und affinen Denk- und Handlungsmustern in Zusammenhang zu bringen sind und welche Bedeutung dies für Herrschafts- und Hegemoniebegründungen in historischen und aktuellen Feldern der Politik, den Künsten und Kunstdiskursen hat.
Es gilt zu fragen, auf welche Weise Artefakte an Konstruktion und Distribution kolonialer Kategorien wie dem „Anderen“ und „Fremden“ sowie an herrschaftslegitimierenden Diskursen Anteil haben und damit schließlich auch daran partizipieren, was als „Eigenes“ und „Vertrautes“, Herrschendes und Beherrschtes erscheint und wirksam wird. Inwiefern verhalten sich koloniale Stereotype spiegelbildlich zu herrschaftssichernden Fremd- und Selbstbeschreibungen? Mit welchen visuellen Strategien wird hier bewußt oder unbewußt argumentiert und gearbeitet? Von welcher Kolonialgeschichte oder welche Kolonialgeschichten erzählen die einzelnen Werke? Und inwiefern kann oder muß Kunst generell als eine Praxis verstanden werden, die im Zu-Sehen-Geben Differenzen zwischen Eigenem und Anderem voraussetzt, perpetuiert und schafft?
Die Tagung richtet sich besonders an Kunstlehrerinnen und -lehrer, für deren tägliche Arbeit mit und an Werken der europäischen Kunst die postkoloniale Kritik ein kultur- und bild-politisch hochaktuelles Werkzeug darstellt, um aktuelle Kolonialismen, Diskriminierungen und Machtverhältnisse aus der historischen und systematischen Tiefe der Kunstgeschichte heraus bis zur Gegenwartskunst und visuellen Alltagsgestaltung zu reflektieren und dekonstruieren, um sie zu anderen Deutungsmustern der politischen Funktionen von Kunst und Künsten ins Verhältnis zu setzen.
Programm
Montag, 23. Mai 2022
14.00 – 14.15 Uhr
Joachim Kießling
stellv. Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz im BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik
Dr. Florian Pfeil
Direktor des Weiterbildungszentrums Ingelheim
Begrüßung – Klärung der Erwartungen
14.15 – 14.45
Politische Bildungsaufgaben des Kunstunterrichts
Michael Grabis
Ministerium für Bildung Rheinland-Pfalz
Prof. Dr. Sara Burkhardt
Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Bundesvorsitzende des BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik
14.45 – 15.45
Von der Friedensbewegung zur Dekolonialisierung. 40 Jahre politische Aktualität der Ingelheimer Tagungen zu Bild und Politik
14.45 – 15.05 Uhr Prof. em. Peter Schubert
Technische Universität Dortmund
15.05 – 15.25 Uhr Prof. em. Dr. Dietrich Grünewald
Universität Koblenz-Landau
15.25 – 15.45 Uhr Clemens Höxter
Referent für Kulturelle Bildung im Bundesvorstand des BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik
15.45 Uhr
Pause
16.00 – 17.00 Uhr
Prof. Dr. Kristin Marek
Hochschule für Bildende Künste Dresden
Prof. Dr. Ulrich Heinen
Bergische Universität Wuppertal
Postkoloniale Revisionen europäischer Kunst. Einleitung zum Thema
16.00 – 18.30 Uhr
Prof. Dr. Gabriele Werner
Weißensee Kunsthochschule Den Kanon überschreiben – reicht das? Eine Wegbeschreibung von Necati Oziris „Die Verlobung in St. Domingo – Ein Widerspruch“ bis zum „Modèle Noir“ im Musée d’Orsay und zurück
18.30 Uhr
Abendessen
Dienstag, 24. Mai 2022
9.00 – 10.30 Uhr
Dr. Raphaèle Preisinger
Universität Bern
Kunstwerke als Verhandlungsräume der Macht im frühneuzeitlichen ‚globalen’ Heiligkeitsdiskurs
10.30 Uhr
Pause
11.00 – 12.30 Uhr
Prof. Dr. Victoria von Flemming
Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
Postkolonial gewendet – Rembrandts Bilder des Orientalen
12.30 Uhr
Mittagessen
14.00 – 15.30 Uhr
Prof. Dr. Bettina Uppenkamp
Hochschule für Bildende Künste Hamburg
Überlegungen zum Umgang mit den Spuren des Kolonialismus in der europäischen Kunst am Beispiel des ehemaligen Sklaven
Johannes Eliza Capitein
15.30 – 17.00 Uhr
Dr. Buket Altinoba
Ludwig-Maximilians-Universität München
„Reproduktion nach lebendem Modell“: Zum kritischen Einsatz von Perspektivmaschinen auf Expeditionsreisen im frühen 19. Jahrhundert
19.30 Uhr
Abendessen
Mittwoch, 25. Mai 2022
9.00 – 10.30 Uhr
Dr. Silke Förschler
Universität Kassel
Zwei Vorschläge zur Korrektur des weißen Blicks in Ingres’ Gemälde Odaliske mit Sklavin (1839): Kultureller Bildtransfer und historische Kontextualisierung
10.30 – 12.00 Uhr
Prof. Dr. Norbert Schmitz
Muthesius Kunsthochschule Kiel
Global Art: Freiheit und Machtpraxe
12.00 – 12.30 Uhr
Plenum und Perspektivdiskussion
12.30 Uhr
Mittagessen und Seminarende
Leitung:
Prof. Dr. Kristin Marek, Hochschule für Bildende Künste Dresden
Prof. Dr. Ulrich Heinen, Bergische Universität Wuppertal
Ein Download des Programms findet sich hier.
Anmeldung und weitere Informationen finden sich hier.
Teilnahmegebühren
115,- € mit Übernachtung
60,- € ohne Übernachtung
Die Unterbringung erfolgt in Doppelzimmern.
Einzelzimmerzuschlag: 50 ,-€
Der Teilnahmebeitrag wird gesplittet; 2/3 werden dem Seminar zugeordnet, 1/3 dient der institutionellen Kostendeckung
Das Seminar ist öffentlich zugänglich.
Dieses Seminar ist unter der Nummer 22FNA00001 im Gesamtangebot des Pädagogischen Landesinstituts Rheinland-Pfalz (PL) enthalten, wird in der Fortbildungssuchmaschine des Ministeriums für Schule und Bildung in NRW angeboten und kann in NRW von den Schulen aus den Fortbildungsbudgets finanziert werden.

Die Fridtjof-Nansen-Akademie ist Mitglied der Gesellschaft der Europäischen Akademien e.V.


Ralf Claus Oberbürgermeister und Vorsitzender des Stiftungsrates des Weiterbildungszentrums Ingelheim | Dr. Florian Pfeil Direktor des Weiterbildungszentrums Ingelheim | Daniela Colic-Bender 1. Vorsitzende Landesverbandes Rheinland-Pfalz im BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik | Prof. Dr. Ulrich Heinen Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Kunstgeschichte in der Kunstpädagogik im BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik |
Bildhinweis: Anonymer Künstler (für Tipu Sultan, Herrscher von Mysore in Südindien): Tippoo’s Tiger, um 1793,
mechanische Orgel, Holz, farbig gefaßt, 178 x 71 x 61 cm, Victoria and Albert Museum, London (Quelle:
http://collections.vam.ac.uk/item/O61949/tippoos-tiger-mechanical-organ-unknown/).