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Stärkung des Faches Kunst im künftigen modifizierten Gymnasium

redaktionby in Bildungspolitik 3 Min. Lesezeit 13. Januar 2020

Ein Brief des Kunstrats Bayern an den Bayerischen Ministerpräsidenten Herrn Horst Seehofer und an Herrn Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Staatsminister,

der Kunstrat Bayern ist ein Expertengremium mit Vertreterinnen und Vertretern aus Verbänden, Hochschulen und öffentlichen Einrichtungen, das sich mit Fragen der künstlerischen und ästhetischen Bildung an Schulen beschäftigt.

Der Kunstrat Bayern begrüßt ausdrücklich die Initiative zur Weiterentwicklung des Gymnasiums, insbesondere die Intension, den Schülerinnen und Schülern mehr Zeit für das Erlangen der Hochschulreife zuzugestehen.

Der Kunstrat Bayern unterstützt die Forderung des Bayerischen Philologenverbandes nach mehr Zeit zum Lernen und zur notwendigen Stärkung der Säule der künstlerischen und ästhetischen Bildung als gleichberechtigten Teil eines werteorientierten, den Menschen in seiner Persönlichkeitsreifung unterstützenden, demokratischen Bildungssystems.

Will man die künstlerische und ästhetische Bildung stärken, muss der in einigen Jahrgangsstufen nach wie vor nur einstündig erteilte Kunstunterricht endlich der Vergangenheit angehören. Grundsätzlich sollte es nur doppelstündigen Kunstunterricht an bayerischen Gymnasien geben.

Es ist Ihnen sicher bekannt, sehr geehrter Herr Ministerpräsident und sehr geehrter Herr Staatsminister, dass die künstlerischen Fächer im Fächerkanon des G8 zu den sogenannten Verlierern gehören. Die Einstündigkeit in der gymnasialen Mittelstufe zwingt zu einem Kunstunterricht, in dem das enorme ästhetische Bildungspotenzial nur bedingt umzusetzen ist.

Die berechtigten hohen Ansprüche, die der bayerische Lehrplan im Fach Kunst formuliert und die darin bestehen, verschiedenste Bereiche wie Kunstgeschichte, Architektur, Design, Neue Medien praxisnah und wissenschaftlich fundiert zu vermitteln, sind in dem engen Korsett von 45 Minuten in der Woche nur erschwert möglich.

Die gymnasialen Kolleginnen und Kollegen, die Kunst unterrichten, halten die Einstündigkeit in der Mittelstufe grundsätzlich für indiskutabel. Gerade im Fach Kunst ist die ausreichend gegebene Zeit für Entwurf, Ausarbeitung, Vertiefung und Übung von essenzieller Bedeutung.

Künstlerische Wahlkurse – Fotografie, digitale Bildbearbeitung etc. – sind wegen des vermehrten Nachmittagsunterrichts im G8 stark zurückgegangen. Auch hier fehlt ein wesentlicher Faktor, um einen Ausgleich für die rein kognitiven Fächer zu schaffen und Schülerinnen und Schülern Raum für eigene Entwürfe, Konzeptionen und Gestaltungsvorschläge zu geben:

Ein fortschrittliches demokratisches Bildungsland braucht aber notwendig kreative und auch kritisch selbstständige Denker, die bereits in den allgemeinbildenden Schulen die Chance zur Ausbildung der eigenen Persönlichkeit erhalten. Nur so kann langfristig eine werteorientierte, demokratisch verfasste Gesellschaftsform bewahrt werden.

Die konkreten Folgen der Marginalisierung des Faches Kunst im G8 sind unübersehbar.

Die Zahlen der Absolventen mit schriftlichem Kunstabitur sind nach Wegfall der Leistungskurse Kunst signifikant zurückgegangen. Nicht nur die Akademien der Bildenden Künste, auch die bayerischen Universitäten und Ausbildungsstätten kreativer Berufe sorgen sich wegen des Nachwuchsmangels an künstlerisch interessierten und befähigten jungen Menschen.

Die Kunstakademien in Nürnberg und München sowie die Universitäten beklagen zudem die partiell wenig überzeugende Qualität der künstlerischen Arbeiten in den Bewerbungsmappen der Studienanfänger, die aus dem gekürzten Kunstunterricht im G8 resultiert. Insgesamt trauen sich zu wenige Abiturienten ein kunstpädagogisches bzw. künstlerischen Studium zu.

Der durch das G8 produzierte Nachwuchsmangel zeigt sich bereits im deutlichen Mangel an jungen gymnasialen Kunstlehrerinnen und Kunstlehrern.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Staatsminister, wir dürfen Sie herzlich bitten, sich entsprechend nachhaltig für eine Verbesserung der Situation des Faches Kunst insbesondere in der Mittelstufe des Gymnasiums einzusetzen. Sehr gerne unterstützen wir Sie mit weiteren Informationen und Ideen – gerne auch in einem Gespräch mit Experten des Kunstrat Bayern.

Mit Dank und freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. Alexander Glas, Universität Passau
Barbara Lutz-Sterzenbach, Sprecher des Kunstrates Bayern, Vorsitzende des Fachverbandes für Kunstpädagogik in Bayern, BDK.e.V.

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