Werden die Schulen nun kreativer?
(wfü) Schule und Unterricht haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von neuen Ideen, Konzepten und Reformansätzen erlebt, geprägt auch von PISA-Studie und Einsparpolitik. Demgegenüber stehen Bemühungen, eine neue Lernkultur in die Schulen zu bringen und Forderungen nach ganzheitlicher Bildung und auch nach Kontinuität. Besonders die Aktivitäten, kulturelle Bildung in den Schulen voranzutreiben, werden derzeit verstärkt.
Offenbar gelingt es nicht in ausreichendem Maße Kunst und Kultur in den Unterricht zu integrieren, anders kann man die Initiativen von Bund, Ländern, Stiftungen und kulturellen Organisationen nicht interpretieren, die „kulturelle Bildung“ in den Schulen zu verankern. Nun kommen Agenten* in die Schulen, um die Kultur zu vermitteln. Kulturagenten, um innovative Ideen und Netzwerke zu entwickeln und Hilfestellung bei der Kooperation mit außerschulischen Partnern zu geben. Doch bleibt es dabei? Oder steht es zu befürchten, dass diese auch in Bereiche des Unterrichts vordringen, die eigentlich das Terrain der für die Schularbeit ausgebildeten Pädagogen sind?
Kulturagenten für alle?
Mit bis zu 24 Millionen Euro unterstützen die Kulturstiftung des Bundes, die Stiftung Mercator und einige Bundesländer ein bis 2015 aufgelegtes Kulturprojekt, bei dem die so genannten „Kulturagenten“ Kreativität in die Schulen tragen sollen. Laut Zielbeschreibung im Programm „Kulturagenten für kreative Schulen“ sollen „Kinder und Jugendliche nachhaltig für Kunst und Kultur begeistert und dadurch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden“. Dies sollen die Kulturagenten über einen Zeitraum von vier Jahren gemeinsam mit Schüler/innen, dem Lehrerkollegium, der Schulleitung, Eltern, Künstler/innen und Kulturinstitutionen tun. Sie sollen dabei ein umfassendes und fächerübergreifendes Angebot der kulturellen Bildung entwickeln und langfristige Kooperationen zwischen Schulen und Kulturinstitutionen aufbauen. Ein an sich lohnendes Projekt, wären da nicht die mehr oder weniger verdeckten Nebentöne.
Prof. Dr. Schütz aus Karlsruhe weist in einem Schreiben an den BDK auf einen Leserbrief hin, den er an die Zeitschrift „Art“ richten will. Anlass ist ein von Kito Nedo geführtes Interview mit Hortensia Völkers, der künstlerischen Direktorin der Bundeskulturstiftung. Dabei erfährt man, was die Agenten angeblich können und natürlich auch, was die professionellen Kunstlehrer angeblich nicht können („Agenten im Einsatz für die Kultur“ in art 10/2011, S. 140).
In einen Beitrag der Sendung „Scala“ des WDR 5 hört man (Beitrag von Wera Reusch, 13.07.2011 / http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/2011/07/13/scala-kulturagenten.xml) dass der künstlerisch-kreative Anteil in den Schulen erhöht werden soll, der Unterricht soll kreativ besser gestaltet werden! Neben der Entwicklung von kulturellen Vernetzungen und Angeboten sollen die Kulturagenten also auch selber Unterrichtsangebote erstellen, dabei sollen Sie ein dem Lehrerberuf angepasstes Gehalt erhalten.
Terminologien und Zielsetzung hinter dem Projekt bleiben fragwürdig, wenn die 14 Mio Euro für insgesamt nur 20 bis 35 Schulen pro teilnehmendem Bundesland bereitgestellt werden, eine große Geldsumme also unter einer kleinen Anzahl an Schulen verteilt wird. Auch die Ausführungen in der Programmbeschreibung vermitteln deutlich, „Schulen werden erst kreativ, wenn die Kulturagenten kommen“. Damit tut man den Kolleginnen und Kollegen unrecht. Zu fragen ist, warum die Spezialisten, die bereits in den Schulen sind, nämlich die Kunstpädagogen nicht in der Lage sein sollen, zumindest in ihrer Schule adäquate Angebote zu machen. Sie tun dies bereits seit vielen Jahren überaus professionell. Ein Problem ist vielmehr die mangelnde Öffentlichkeit der kunstpädagogischen Arbeit an Schulen. Die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Schulen findet regional begrenzt sehr häufig „geräuschlos“ und sehr produktiv statt, auch ohne dass solche Vorhaben in konkrete Projekte eingebunden sind.
Grundsätzlich sind Initiativen begrüßenswert, die Kunst und Kultur in der Schule stärken. Der BDK unterstützt die die Idee seit langem, kulturelle Auseinandersetzung innerhalb und außerhalb der Schule zu betreiben und ist auch zu Kooperationen bereit. Allerdings sollten die Initiativen und Angebote auch den Schülerinnen und Schülern im Regelunterricht zugute kommen und unter Einbeziehung der Kompetenz der Fachkolleginnen und Fachkollegen erfolgen.
*Ein Agent ist, so gibt auch der Duden Auskunft, ein Vermittler, Bearbeiter, Beauftragter. Darüber hinaus wird er in der Schweiz und in Österreich als Handelsvertreter bezeichnet. Als Interessenvertreter nennt man ihn Lobbyist und im Kontext der Vernetzung „ein zu gewissem eigenständigen Verhalten fähiger Kommunikationsknoten“. Ein Hauptteil des Agenten ist die Beratung, z.B. in der Form einer praktische Anleitung, die zum Ziel hat, eine Aufgabe oder ein Problem zu lösen oder sich der Lösung anzunähern.
Im kriminalistischen Milieu ist ein Agent oft ein (verdeckter) Ermittler, der etwas ausspäht, manchmal auch ein Provokateur, der zu Handlungen verleiten soll, die den Behörden den Zugriff auf die Zielobjekte ermöglichen.
Ein berufskundliches Lexikon erklärt das Tätigkeitsfeld einer Spezialform des Kulturagenten, den Kunstagenten: „KunstagentInnen managen KünstlerInnen […] und vertreten diese Personen in der Öffentlichkeit. Sie sind für die Organisation der Auftritte bzw. Ausstellungen sowie für die Verhandlungsangelegenheiten verantwortlich. […] Marketing- und Werbestrategien werden von ihnen eingesetzt. […] Sie bewerben ihre KlientInnen bestmöglich am Markt.“ (http://www.berufslexikon.at)
Erfahrungen über die Arbeit als KulturagentIn/mit Kulturagenten interessieren den Fachverband natürlich auch und können auf dieser Seite publiziert werden.
Weitere Informationen zum Thema:
Aus der Schule geplaudert – Kulturagenten in Thüringer Schulen Podcast