Ergänzend zu den Materialien, die der Landesverband NRW im BDK e.V. Fachverband für Kunstpädagogik für seine Mitglieder zu Pieter Bruegel d.Ä. als neuer Abiturobligatorik auf intern zugänglichen Plattformen bereitstellt (https://bdk-online.info/nw-de/2022/08/04/materialien_bruegel/) wird hier eine Online-Gesprächsreihe angeboten. Zu den einzelnen Gesprächsrunden wird zunächst jeweils eine Expertin oder ein Experte ca. 30 Minuten zu einem für den Kunstunterricht relevanten Aspekt aus Bruegels Werk vortragen. Danach wollen wir miteinander ca. 30 Minuten lang über Möglichkeiten sprechen, dies im Unterricht praktisch werden zu lassen. Beispiele aus der eigenen Unterrichtspraxis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind dabei sehr willkommen.
Um Ihnen den Zugangslink für die Videokonferenzen zusenden zu können, benötigen wir Ihre Anmeldung hier:
https://bdk-online.info/nw-de/Formulare/anmeldung-bruegel-gespraechsreihe/
Last Minute-Anmeldungen bitte parallel ggf. auch direkt an Ulrich Heinen, heinen@netcologne.de (wir werden versuchen, auch diese jeweils noch zu berücksichtigen).
Willkommen sind sowohl Mitglieder des BDK als auch Nicht-Mitglieder.
Programm
Hier die Themen der Gesprächsrunden, die in dieser Gesprächsreihe stattgefunden haben:
Dienstag, 24. Januar 2023, 18:15 – 19:15 Uhr
Prof. Dr. Ulrich Heinen und Martin Wedler: Pieter Bruegels Sturz des Ikarus. Der tragische Weitblick.
In dem in Kopie erhaltenen Sturz des Ikarus illustriert Bruegel ein Flüchtlingsschicksal im Mittelmeer. Darüber hinaus demonstriert er die grundsätzliche Tragik der Spannung zwischen dem lokalen und einem globalen Blicken und Handeln. Zu deren Entwicklung tragen er und seine Umgebung mit der Produktion von Landschaftsdarstellungen und Landkarten damals selbst aktiv bei.
An diesem Werk können Schülerinnen und Schüler daher – sowohl sprachlich als auch visuell rezipierend und reflektierend – die grundsätzlich tragische Kluft zwischen der Beschränkung des leiblichen Blicks in den verfügbaren Nahraum und der Verstrickung des Handelns in der für das leibliche Auge unzugänglich bleibenden Weite der Welt erfassen. In enger Verschränkung mit der aktuell immer drängender werdenden Erfahrung tiefer Brüche zwischen lokalem und globalem Wahrnehmen, Denken und Handeln eignet sich das Bild im Kunstunterricht sowohl als Ausgangspunkt als auch als Reflexionsanlaß für eine gestaltungspraktische Erschließung der Aktualität dieses tragischen Verhältnisses. So kann es auch Anlaß geben, die historische Gewordenheit dieser Tragödie und der Versuche zu ihrer ästhetischen Bewältigung zu begreifen und diese Einsicht mit der Gestaltung eigener Lebensentwürfe einschließlich ihrer ästhetischen Entwicklung, Demonstration und Reflexion zu verbinden.
Dienstag, 7. März 2023, 18:15 – 19:15 Uhr
Vertr.-Prof. Dr. Dominik Brabant: Pieter Bruegels Wiener Bauernhochzeit. Der Künstler als Ethnologe?
Schon früh entstand der Topos von Bruegel als quasi ethnologischem Beobachter der einfachen Landbevölkerung. Umstritten ist in der kunstgeschichtlichen Forschung aber, ob es Bruegel dabei ums Miterleben mit dieser sozialen Schicht oder um Kritik an deren Verhalten geht. Gerade weil etwa seine Bauernhochzeit hierin ambivalent bleibt, stellt sich die Frage nach Bruegels Haltung gegenüber der Gesellschaft seiner Zeit und seiner eigenen sozialgeschichtlichen Stellung.
Wie Im Anschluß an den Vortrag zu diskutieren sein wird, entfaltet sich in dieser Frage ein wesentlicher Bildungsgehalt dieses und vieler weiterer Gemälde Bruegels für einen lebendigen und lebensnahen Kunstunterricht: Bruegels Darstellungen von einfachen Leuten geben Impulse, die eigene Haltung zu den dargestellten Lebensweisen sehr grundsätzlich in Frage zu stellen und miteinander darüber zu debattieren.
Gemeinsam wird in der Gesprächsrunde auch erschlossen werden, wie Bruegel einen solchen Impuls bildnerisch wirksam inszeniert und wie man den von ihm geschaffenen Zusammenhang von bildnerischer und bildkonzeptioneller Arbeit mit Schülerinnen und Schülern sprachlich und gestalterisch-rezeptiv erschließen und als Anstoß für deren eigene Gestaltungsarbeit nutzen kann.
Dienstag, 25. April 2023, 18:15 – 19:15 Uhr
Aus gesundheitlichen Gründen muß der hier urprünglich geplante Vortrag von Prof. Dr. Joachim Raupp vertagt werden.
Stattdessen wird hier kurzfristig dieses Thema angeboten:
Prof. Dr. Ulrich Heinen: Kapitalismuskritik bei Pieter Bruegel.
In Antwerpen, dem Zentrum des Frühkapitalismus, hatte Bruegel ganz unmittelbar vor Augen, wie diese neue Form der Ökonomie Menschen, Gesellschaft und Welt verändert und erschüttert. Sensibel zeichnete er diese Entwicklungen mit Feder, Stichel und Pinsel auf und bot seiner Umgebung an, hierüber und über die eigene Rolle darin grundlegend zu diskutieren und nachzudenken.
Gemeinsam erschließt die Gesprächsrunde, wie man Werke Bruegels auffindet, die unter diesem zentralen Aspekt betrachtet werden können, und wie man sie mit Schülerinnen und Schülern im Kunstunterricht analysieren und interpretieren kann. Von hier aus öffnen sich auch grundlegende aktuelle Fragen zum Verhältnis von Politik und Ökonomie sowie zu deren Reflexion in aktueller Kunst.
Dienstag, 23. Mai 2023, 18:15 – 19:15 Uhr
Prof. Dr. Daniela Hammer-Tugendhat: Pieter Breugels Kreuztragung Christi
Am Beispiel von Bruegels Kreuztragung sollen prinzipielle methodische Aspekte behandelt werden: Die Bedeutung eines ‚close looking‘, einer genauen Beschreibung, der Bildtradition, des gesamtes Kontextes, also der Einbeziehung der zeitgenössischen Diskurse, der religiösen Konflikte, des gesellschaftlich-politischen Hintergrundes und die Bedeutung der ästhetischen Struktur.
Dienstag, 20. Juni 2023, 18:15 – 19:15 Uhr
Prof. Dr. Norbert M. Schmitz: Kinematographische Passion: Andrej Tarkowskijs Rezeption der Kunst Bruegels
Bei kaum einem anderen ‚alten Meister‘ können wir Kontinuität und Variation der Bilderzählung über die Mediengrenzen hinweg so klar betrachten wie bei Pieter Bruegel d.Ä. Dabei geht es nicht nur um die populären Ikonographien des flämischen Meisters, sondern der subtilen Bildaufbau der Weltlandschaften wird auch zum Anlass filmischer Formfindung. Der Realismus des Filmbildes knüpft an die Traditionen realistischer Kunst jenseits des bloßen Illusionismus an: Neben den vielfachen und häufigen Übernahmen der Motive der populären Bilder steht auch die künstlerische Aneignung der pessimistische Weltsicht des Humanisten die mit ganz eigenständigen filmischen Formen erzählt wird.
Der Vortrag stellt die Faszination der Kunst Breughels für Filmkünstler wie Andrej Tarkowskij und Lech Majewski anhand einiger Sequenzen aus ANDREJ RUBLEV, SOLARIS, DER SPIEGEL und DIE MÜHLE UND DAS KREUZ dar.
In der anschließenden Gesprächsrunde wird gemeinsam erschlossen, wie sich hieraus im Kunstunterrichts aktuelle Zugänge zum Thema finden lassen.
Dienstag, 15. August 2023, 18:15 – 19:15 Uhr.
Prof. Dr. Christoph Asendorf: Bruegel im Kontext einer Umbruchzeit
Der Vortrag versucht, verschiedene Fragestellungen aufeinander zu beziehen: zunächst soll das Werk Bruegels auf einige durchgängige Eigenschaften hin betrachtet werden, die sich womöglich zum Bild eines Malers krisenhafter, zumindest aber labiler Weltzustände synthetisieren lassen. In einem zweiten Schritt soll gefragt werden, in welchem Verhältnis Bruegels Werk zu dem unmittelbarer Zeitgenossen steht, und weiter, ob und wo es innerhalb der Fragestellungen einer Epoche fundamentaler Umbrüche einzuordnen ist. Und drittens soll darauf hingewiesen werden, wie die Erfahrung eines Umbruchs auch die Rezeptionsgeschichte in der Moderne bestimmt.
Bildnachweis:
Pieter Bruegel d. Ä.: Die Bauernhochzeit, um 1568, Öl auf Eichenholz, 114 × 164 cm, Kunsthistorisches Museum Wien.
https://artsandculture.google.com/asset/wd/hgGvote2WI8P3w