Direkt zum Inhalt springen

Sprache – Kunst – Vermittlung.

Beigetragen von redaktionbdk in Aktuelles 14 Min. Lesezeit 18. Januar 2012

Cynthia Krell & Julia Weitzel
Bericht zum achten kunstpädagogischen Forschungskolloquium in Loccum

Bilder beschäftigen mich. Bilder sind das, was die Dinge bedeuten. Zum Beispiel das Wort Bild. Es erinnert an weiches, nacktes Fleisch, das an der Luft schimmert wie die regenbogenfarbene Haut einer Blase. Ein Bild erinnert an andere Bilder, an die Vielfältigkeit des Bildseins. Bilder platzen mit einem leisen Zischen, ihre Zerstörung ist so wunderbar wie ihr Dasein.

E. L. Doctorow, Das Buch Daniel, 1974

Ein Nachdenken über das Verhältnis von Kunst[1] und Sprache, Bild und Wort ist für die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen von zentraler Bedeutung. Denn sowohl in der Schule als auch im Museum verständigen wir uns hauptsächlich mit Sprache über Bilder. Welche besondere Rolle spielt bei diesem Prozess nun die Sprache beziehungsweise das Sprechen? Die verbale Sprache ist eines der Hauptwerkzeuge bei der Vermittlungsarbeit in der Allgemeinbildenden Schule und Hochschule, in Ausstellungen und Museen. In Lehr- und Lernsettings wird eine kommunikative Situation von Kunstlehrerinnen und -lehrern sowie Kunstvermittlerinnen und -vermittlern bewusst hergestellt, gestaltet und gelenkt, sodass ein Austausch und eine soziale Interaktion zwischen den Subjekten stattfindet. Versprachlicht werden in erster Linie subjektive Wahrnehmungsprozesse und objektbezogene Aussagen z.B. bei der Rezeption von künstlerischen Arbeiten, der Produktion und Reflexion von eigenen ästhetischen Arbeiten sowie beim Gespräch über diese Produkte und Prozesse. Die verbale Kommunikation ereignet sich zwischen den Subjekten und changiert zwischen formeller und informeller Kommunikation. Die Sprache als schriftliches Medium erhält eine Sonderrolle: Im schulischen Kontext sind es z.B. Arbeitsblätter, Schulbücher und Analyseaufsätze. Schilder, Kunstkommentare und Kataloge bilden hingegen im musealen Kontext den wesentlichen Anteil an schriftlichen Dokumenten. Diese Medien enthalten Informationen und Interpretationen, sie sind oft zweck- und zielgebunden. Kunstvermittelnde Lehrkräfte setzen diese Schriftstücke wieder gezielt ein, um Bildungsprozesse auszulösen. Die Sprache ist zugleich Unterrichts-Medium und Zeichensystem zugleich. Jede mündliche oder schriftliche Äußerung ist kontextgebunden, somit eingebunden in eine konkrete Handlung und Situation. Im schulischen Kontext sind diese Äußerungen, je nach Situation, fester Bestandteil der Sonstigen Mitarbeit und Leistungsmessung. Bei jedem Versuch der Versprachlichung erfahren wir als Subjekte auch die Begrenztheit der Sprache, die sich allerdings mit zunehmender Erfahrung mit ästhetischen Prozessen und Fachsprache ausdifferenziert. So bleiben dennoch Leerstellen[2], die wir bewusst/unbewusst wahrnehmen können oder lernen wahrzunehmen. Dieses Lernen bezieht sich u.a. auf das Dechiffrieren ästhetisch kodierter Informationen (Mollenhauer 1990/4: 485). So stellt sich die Frage nach der Vermittelbarkeit von Kunst oder Bildwelten. Hierzu haben sich Carmen Mörsch und Eva Sturm im Rahmen des Vortrags „Vermittlung – Performance – Widerstreit. Einleitungsvortrag im Duett.“ im Kunstmuseum Lentos im Jahr 2008 geäußert: „Denn Kunst – und hier wird es für Kunstvermittlung, egal in welcher Form, ob als Text oder als Aktion oder als Tonbandführer oder als Inszenierung oder als aktionistisches Vorgehen etc., schwierig und aufregend – hat mit dem Nicht-Zeig-und Sagbaren zu tun. Sie berührt immer eine Grenze oder mehrere, an der bzw. an denen die Frage der Darstellbarkeit virulent wird. Diese Virulenz, so unser Verdacht, müsste sich eigentlich in der Kunstvermittlung fortsetzen. Die Form, das Medium, das, was wahrnehmbar ist – ist Inhalt – zumindest in der Kunst ist das so vermuten wir. Kunst hat in diesem Sinn mit Übersetzung von Unsagbarem und Unsichtbarem zu tun und Kunstvermittlung auch.“ Daraus ergeben sich eine Reihe von weiterführenden Fragen: Welche Funktion übernimmt die Sprache bei der Übersetzung von Unsagbarem und Unsichtbarem? Kann das Unsagbare und Unsichtbare überhaupt übersetzt werden? Welche Rolle spielen die kunstvermittelnden Lehrkräfte bei diesem Übersetzungsprozess? Stoßen wir nicht permanent an die Grenzen der sprachlichen Darstellbarkeit bedingt durch einen Medienwechsel? Handelt es sich hierbei um die so genannten Leerstellen, die individuell gefüllt werden müssen? Gilt das Paradigma der Kommunikationstheorie „Wir können nicht nicht kommunizieren“ auch für die Versprachlichung künstlerischer Arbeiten? Wie gehen Künstlerinnen und Künstler mit dem Feld des Sagbaren, Zeigbaren und Unsichtbaren innerhalb ihrer künstlerischen Arbeit um? Lassen sich künstlerische Strategien auf Lern- und Lehrarrangements in der Schule, der Hochschule, in der Ausstellung, im Museum oder gar auf Forschungssettings übertragen?

Wechseln wir den Fokus und wenden uns der kunstpädagogischen Forschung zu. Auch im Forschungskontext ist Sprache ein primäres Medium, z.B. um ästhetische Prozesse zu beschreiben. Forschende formulieren Fragen, erstellen Hypothesen, generieren Forschungsdesigns, gehen ins Feld, in Archive und Bibliotheken. Sie beobachten und interviewen, setzen Stimuli und geben Redeanlässe. Die Forschungssubjekte reflektieren ihre Praxis im Medium Sprache, die Forschenden analysieren und interpretieren die erhobenen Daten. Sodann werden Forschungsergebnisse kommuniziert, diskutiert, veröffentlicht und als Sprachprodukte medial für die rezipierenden Lesenden zugänglich. Sprache fungiert daher in der wissenschaftlichen Praxis nicht nur als Trägerelement der Information und als Medium der Verständigung, sondern auch als erkenntnisgenerierendes Experimentalsystem[3]. Durch Sprache kann etwas Neues entstehen oder etwas Verborgenes sichtbar werden. Sprache konstruiert Wirklichkeit und präformiert gleichsam deren Wahrnehmung. Sprache ermöglicht überhaupt erst Wissenschaft, da sie individuelle Erfahrungen in ein kommunizierbares Medium transportiert und somit zur Grundlage für die Teilhabe am Diskurs innerhalb der scientific community wird. Die kunstpädagogische Forschung betreibt dann eine Grenz-Forschung, wenn sie Phänomene der Versprachlichung untersucht. Umso wichtiger ist eine systematische Auseinandersetzung mit Fragestellungen aus spezifischen Lehr- und Lernsituationen und der Fachdidaktik, um neue Erkenntnisse über Skripte, Präferenzen und Praxen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Rahmen von ästhetischen Prozessen zu erhalten und diese in die kunstpädagogische Anwendung ein- und zurückfließen lassen zu können.

Unter der thematischen Klammer „Kunst – Sprache – Vermittlung. Beschreibungen von kunstpädagogischen Prozessen“ wendete sich das achte kunstpädagogische Forschungskolloquium in Loccum (2.09.–4.09.2011) dem Phänomen Sprache zu. Der Grundgedanke des Kolloquiums besteht darin, dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine institutions- und betreuerunabhängige Plattform zu geben, um eigene Forschungsfragen gerade auch entlang von Bruchstellen diskutieren zu können. In diesem Jahr nahmen aufgrund der großen Nachfrage nahezu 30 Personen aus dem deutschsprachigen Raum teil. Die Panels waren thematisch wie folgt gruppiert: Übersetzung, Rezeption, Partizipation, Identität, non-verbal, Bild – Sprache. Um den intensiven Austausch mit Werkstatt-Charakter zu erhalten, fanden die insgesamt 15 Beiträge in zwei parallelen Panels statt. Außerdem wurden die beiden Formate ArtEduCamp und Best-Practice-Basar im Plenum angeboten, die wiederum Möglichkeiten der aktiven Teilnahme boten. Die konzeptionelle und organisatorische Gestaltung des Kolloquiums oblag dem Leitungsteam bestehend aus Kerstin Asmussen, Katja Helpensteller, Gila Kolb und Evelyn May.

Der Impulsvortrag „Sinnlich Denken? Eine praktische Erprobung über Kunst zu sprechen“ von Rahel Ziethen (Universität Hildesheim) reflektierte die funktionale Beziehung der Bildsprache und der verbalen Sprache des Kunstkommentars. Ihr Vortrag basiert auf ihrer Dissertation „Re|Auratisierung der Fotografie. Ver|Klärung durch Sprache. Kunstkommentare im Spiegel fotografischer Arbeiten von Cindy Sherman, Thomas Demand, Nan Goldin“ (erscheint im Frühjahr 2012). Am Beispiel einer Fotografie Nan Goldins ging die Referentin den Fragen nach, wie eindeutig einzelne Bildebenen in Worte gefasst werden können, wann die Wirkung von Bildern möglicherweise der Metaphorisierung bedarf und welche Schlussfolgerungen sodann aus dem jeweiligen Sprachgebrauch für die Bildbedeutung gezogen werden können. Aus der praktischen Erfahrung der (Un-)Möglichkeit das Sichtbare und das Wirksame von Bildern eindeutig zu verbalisieren, können heutige Erscheinungsformen performativen Sprechens über Kunst erklärt und in der Geschichte der Beziehung von Kunst und Kommentar verortet werden.

Übersetzung

Im Panel Übersetzung präsentierten folgende Referentinnen und Referenten ihre aktuellen Forschungsprojekte: Maria Peters (Universität Bremen) stellte in ihrem Beitrag, „Ich rede und schreibe anders, als ich denke, ich denke anders, als ich denken soll, und so geht es weiter bis ins tiefste Dunkel“: Sprechen in Auseinandersetzung mit Kunst, fachwissenschaftliche Überlegungen und ein Beispiel zu einer besonderen Form des Sprechens in einer performativen Rede angesichts von Kunst und Kultur vor. Ihre Forschungsfrage dazu lautet: Wie kann es gelingen, in einer sprechenden und performativ handelnden Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur zwischen individuellem Ausdruck und kultureller Repräsentation, im Scheitern am Unaussprechlichen, eine Erneuerung der eigenen Sprache und Wahrnehmung zu erfahren? Tobias Loemke (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) fasste in seinem Vortrag die Ergebnisse seiner qualitativ-empirischen Studie zusammen, die sich der Frage widmete, wie sich die Integration besonderer Ressourcen einzelner Studierender des Lehramts Kunstpädagogik auf deren bildnerische Entwicklung auswirkt. Hierzu beobachtete er u.a. die künstlerischen Prozesse der Studierenden in praktischen Vertiefungsseminaren und konnte erste Schlussfolgerungen ziehen. Die inzwischen abgeschlossene Dissertation von Julia Weitzel (Leuphana Universität Lüneburg) „Existenzielle Bildung im Kontext ästhetischen und szenischen Forschens. Bestandsaufnahme, Aktualisierung und Anwendung einer bildungstheoretischen Leitidee“ experimentiert mit einer rhizomatischen Wissensbildung und nicht-hierarchischen Lesestrukturen. Anliegen der interdisziplinären Studie war die Generierung einer zeitgenössischen Leitidee existenzieller Bildung und deren partielles Sichtbarmachen in ästhetischen Lern- und Lehrarrangements.

Rezeption

In der Gruppe Rezeption waren drei Beiträge versammelt, die das Spektrum des Themas zeigten:Das Dissertationsprojekt von Jörg Grütjen steht kurz vor der Veröffentlichung („Der Umgang mit zeitgenössischer Kunst in der Schule als kommunikativer Prozess – Komparative, qualitative empirische Unterrichtsforschung im Kunstunterricht der Oberstufe“). Grütjen skizzierte darin ein heuristisches Ablaufmodell der Kunstrezeption in der Gruppe mit spezifischen kommunikativen Strukturmerkmalen. Er zeigte weiterhin charakteristische sprachliche Merkmale der beginnenden und der fortgeschrittenen ‚Kunstkommunikation’ auf. Das Promotionsvorhaben, das Sidonie Engels (Universität Wuppertal) vorstellte, befasst sich ebenfalls mit Bildrezeption in schulischen Kontexten. Für ihre Dissertation mit dem Arbeitstitel „Zwischen Kunstkonsum und Welterschließung. Bildbetrachtung, Bildanalyse und Bildinterpretation in der Schule“ nimmt sie eine historische Perspektive ein und befragt kunstpädagogische Konzeptionen nach Legitimationszusammenhängen. Dorothée King (Universität der Künste Berlin) untersucht in ihrer Dissertation zeitgenössische künstlerische Arbeiten der Bildenden Kunst, bei denen auditive, gustative, haptische oder olfaktorische Elemente als ästhetische Erfahrungen im Vordergrund stehen. Sie fokussiert dabei den Umgang mit solchen künstlerischen Arbeiten in der Fachdidaktik und Kunstvermittlung. In Loccum stellte sie olfaktorisch zu rezipierende Werke vor und sprach davon ausgehend über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten Riecherfahrungen in Sprache zu transferieren.

Partizipation

Im Panel Partizipation stellten zwei Referentinnen ihre aktuellen Forschungsprojekte vor. Sandra Winiger (Kunsthaus Zug) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit dem Verhältnis zwischen Kunsterfahrung und Sprache von Museumsbesuchenden. In der Ausstellung „The moving museum“ von Olafur Eliasson im Kunsthaus Zug in der Schweiz (2009) untersuchte sie das Verhalten der Besuchenden. Anhand konkreter Ergebnisse wie ausgewerteter Filmaufnahmen oder Gesprächsanalysen zwischen Besuchenden, wurde im Plenum über eine weiterführende Forschungsfrage diskutiert. Kerstin Asmussen (Universität Flensburg) widmete sich aktuell der Frage, inwiefern Hörführungen als Medium in Lehr- und Lernprozessen kreativ und experimentell angewendet werden können. Ausgehend von einem Image-Film zum Projekt „Audiopi.lot“ (2006/2007), in dem Jugendliche für Jugendliche unter professioneller Anleitung einen Audioguide zu Werken aus der Sammlung der Pinakothek der Moderne produzierten, öffnete sie ihr Themenfeld für einen Austausch über das Spektrum bestehender Forschungsrelevanz.

Identität

Zwei Forschungsarbeiten fokussierten das Spannungsverhältnis von Sprache und Identität.Ansgar Schnurr (Technische Universität Dortmund) zeigte mit Hilfe eines Ausschnitts seiner interkulturellen Studien, inwiefern implizite Zugehörigkeiten, die ästhetisch sowie milieuspezifisch strukturiert sind, im Sprechen über Bilder qualitativ empirisch rekonstruiert werden können. Ein besonderer Schwerpunkt lag hier in bildungstheoretischer Perspektive auf den Abgrenzungen des Eigenen zum umgebenden Anderen und den Tastbewegungen dazwischen. Esther Richthammer (Kunsthochschule Mainz) beschäftigte sich in ihrem Beitrag mit den Fragen, wie die Kategorie Geschlecht in kunstpädagogischen Texten verhandelt und wie das Thema Geschlecht heute in der zeitgenössischen Kunst und im Kunstunterricht thematisiert wird. Hierfür erörterte sie Geschlechterkonzeptionen aus dem Kontext der Gender Studies sowie der Erziehungswissenschaft.

Non-verbal

Zur Sprache gehört ebenfalls die nichtsprachliche Kommunikation, die im Mittelpunkt der folgenden Einzelbeiträge stand. Hanne Frank (Universität Hamburg) skizzierte in ihrem Forschungsbericht Schnittstellen zwischen kunst- und sonderpädagogischer Arbeit mit so genannten ‚geistig behinderten‘ Erwachsenen. Sie fokussierte dabei die Übergänge und Wechsel zwischen Darstellungs-, Erzähl- und Verkörperungsweisen mit der These, dass biografische Arbeit als eine Form der Ordnungs- und Deutungsarbeit in der reflektierenden Beschäftigung mit dem eigenen Leben wesentlich auch mit nichtsprachlichen Mitteln im Umgang mit Materialien, Objekten und Bildern vollzogen wird. Klaus Ripper (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd) untersuchte in seinem Beitrag „Sehen – Denken – Handeln – Sprechen“ die Rolle der Kunst in einem nicht vorrangig durch Verbalsprache geprägten Bildungsprozess, in welchem durch eigenständige künstlerische Rezeptions- und Produktionstätigkeit Weltwissen erworben und Identitätsentwicklung gefördert werden kann.

Bild und Sprache

Die Auseinandersetzung mit Bild und Sprache bildete den jeweiligen Ausgangspunkt für die folgenden Berichte: Das Forschungsprojekt „Zeichnen – Reden“ von Ruth Kunz, Sarah Hostettler und Nadia Bader (Hochschule der Künste Bern) beleuchtet die Rolle des sprachlichen Austausches zwischen Lehrenden und Lernenden sowie zwischen Schülerinnen und Schülern in zeichnerischen Prozessen. Darin wird die bildnerische Arbeit als Produkt einer Lehr-Lern-Situation begriffen, die durch unterschiedliche Akteure mitbestimmt und mitgestaltet wird. Am Beispiel ihres Forschungsmaterials thematisierte Andrea Sabisch (Universität Hamburg) die Frage, wie ein „Sprechen über Bildlichkeit“ möglich und empirisch zu untersuchen sei. Anhand videografierter Sequenzen von Gruppendiskussionen zu einem Bilderbuch, die in einer jüdischen Schule in Hamburg durchgeführt wurden, forscht sie zu den wechselseitigen Bedingungen und Relationen von Sprache und Bild bzw. Bildlichkeit.

Best-Practice-Basar & ArtEduCamp

Im Format Best-Practice-Basar wurden Einblicke in die museums- bzw. kunstpädagogische Praxis gegeben. Katja Helpensteller (Pädagogische Hochschule Weingarten) stellte eine Methode zur Auseinandersetzung mit historischer Kunst vor. Ausgangspunkt der praktischen Erprobung bildete dabei nicht ein Kunstwerk, sondern die ihm zugrunde liegende Textquelle. Hierzu visualisierten alle Teilnehmenden in Skizzen ihre ersten Vorstellungen, die im Vergleich mit den anderen Bildlösungen weiterentwickelt wurden. Nach dem Erfahrungsprozess reflektierte die Gruppe über kunstpädagogisch relevante Form-Inhalts-Bezüge und das methodische Vorgehen. Gila Kolb (Mitglied im Kolleg „Gestalten und Erkennen. Kompetenzbildung in den künstlerischen Fächern und Fachbereichen der Schule“, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Ludwig-Maximilian-Universität München) stellte das Magazin „untitled (magazin) 2011“ als Ergebnis eines Vermittlungsprojekts in Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern der 12. Jahrgangsstufe der Herderschule Kassel vor. Die Jugendlichen setzten sich begleitet von Andrea Bette, Sandra Ortmann und Gila Kolb mit vier Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in der Kunsthalle Fridericianum auseinander. Die entstandene Dokumentation enthält Texte und Arbeiten der Schülerinnen und Schüler und wurde durch einen Grafiker der Kunsthochschule Kasse unterstützt. Eine Projektbeschreibung sowie das Heft als Download findet sich hier: http://www.fridericianum-kassel.de/projekte.html. Katrin Rickerts (Kunstpalais Erlangen) präsentierte in einem Bildvortrag ihr aktuelles Projekt „WI.L.D. im Kunstpalais – kreatives Schreiben im Museum“, welches 2011 erstmalig im Kunstpalais Erlangen realisiert wurde. Grundschulkinder mit besonderem Förderbedarf in den Bereichen Lesen und Schreiben verfassten Krimis, Märchen und Gruselgeschichten zu Werken der Ausstellung „Mathilde Rosier: Rite de passage“. Die Ergebnisse wurden in Form einer Ausstellung im Innenhof des Kunstpalais veröffentlicht. Außerdem stellte Konstanze Schütze (Universität zu Köln) das Konzept und Prinzip des ArtEduCamp vor und lud zur aktiven Teilnahme ein (http://www.buko12.de).

Abschließend stellten Andrea Sabisch, Christine Heil, und Ansgar Schnurr die von ihnen gemeinsam mit Torsten Meyer, Andreas Brenne, Tanja Wetzel gegründete wissenschaftliche Sozietät „Kunst | Medien | Bildung“ vor. Die Sozietät erforscht Verknüpfungen von Kunst, Medien und Bildung und verfügt mit der gleichnamigen Online-Zeitschrift über ein eigenes Publikationsorgan (http://www.zkmb.de).

Die Bandbreite der im Rahmen des Kolloquiums vorgestellten kunstpädagogischen Forschungsprojekte bestätigt die Notwendigkeit einer Grundlagenforschung bezüglich der Relevanz und Funktion der Sprache als primäres Medium in Kontexten der Kunstvermittlung und kunstpädagogischen Forschung. In diesem Feld wurden exemplarische Fragestellungen und Forschungsfoki deutlich: Erstens, Rezipierendenforschung in schulischen und musealen Vermittlungssettings. Zweitens, Kunstrezeption als kommunikative und soziale Praxis. Drittens, Möglichkeiten und Grenzen der sprachlichen Beschreibung künstlerischer Arbeiten im Grenz-Bereich des Nicht-Sag- und Zeigbaren. Viertens, Transfer künstlerischer Strategien in schulische und museale Lern- und Lehrarrangements sowie in Forschungskontexte. Fünftens, Möglichkeiten und Grenzen non-verbaler Kommunikation und Biografiearbeit sowie sechstens, historische Kontextualisierung wissenschaftlicher Methoden der Bildanalyse. Neben den hier genannten Inhaltsfeldern und Fragestellungen rückten in den Diskussionen auch die Forschungssettings und die Methoden der qualitativen Forschung in den Vordergrund. Daraus lässt sich folgern, dass sich der wissenschaftliche Nachwuchs verstärkt mit den Methoden der empirischen und qualitativen Sozialforschung vertraut macht. Aus diesem Konglomerat an potentiellen Forschungsfeldern und Ansätzen zeigt sich eine lebendige und praxisrelevante Forschungslandschaft, die den didaktischen Diskurs mitgestalten und somit in den schulischen Fachunterricht oder in die institutionelle Kunstvermittlungspraxis hineinwirken wird.

Literaturverzeichnis

Manfred Blohm (Hg.) (2000): Leerstellen. Perspektiven für ästhetisches Lernen in Schule und Hochschule. Köln.

Mollenhauer, Klaus: Ästhetische Bildung zwischen Kritik und Selbstgewissheit. Zeitschrift für Pädagogik. 36 Jg. 1990.Nr. 4, S. 481–493.

Karl-Josef Pazzini: Kunst existiert nicht, es sei denn als angewandte. In: BDK-Mitteilungen 2 /2000, S. 34–39.

Rheinberger, Hans-Jörg: Über die Kunst das Unbekannte zu erforschen. In: Friese, Peter et. al. (Hg). (2007): Say it isn‘ t so. Naturwissenschaften im Visier der Kunst. Heidelberg. S. 83–91.

Autorinnen

Cynthia Krell (Jg. 1978) derzeit Referendarin für Kunst und Deutsch an einem Gymnasium in Detmold und freie Kunstvermittlerin im musealen Kontext. E-Mail: ed.xmg@llerk_aihtnyc

Julia Weitzel (Jg. 1979) derzeit Lehrende im Bereich Kunst und Ästhetik der Leuphana Universität sowie verschiedene Lehr- und Kooperationsprojekte. E-Mail: ed.anahpuel@leztiewJ

Fotos: Kerstin Asmussen

Anmerkungen

[1] Vgl. Karl-Josef Pazzini: Kunst existiert nicht, es sei denn als angewandte. In: BDK-Mitteilungen 2 /2000,
S. 34–39.

[2] Vgl. Manfred Blohm (Hg.) (2000): Leerstellen. Perspektiven für ästhetisches Lernen in Schule
und Hochschule. Köln.

[3] Vgl. Rheinberger, Hans-Jörg: Über die Kunst das Unbekannte zu erforschen. In: Friese, Peter et. al. (Hg). (2007): Say it isn‘ t so. Naturwissenschaften im Visier der Kunst. Heidelberg. S. 83–-91.

Hinweis

Das neunte Forschungskolloquium mit dem Thema „Brüche als bedeutsame Momente in kunstpädagogischen Forschungs- und Lehrprozessen“ findet vom 31.08. bis zum 02.09.2012 statt. Die Leitung haben Claudia Birkner, Birgit Engel, Tobias Loemke, Katja Seidl, Konstanze Schütze und Julia Weitzel (http://loccum.edublogs.org/).

Verwandte Beiträge

Zum Blog