Die Staatsgalerie Stuttgart und der BDK luden am 11. März zu einem Architekturvortrag von Prof. Lederer (Universität Stuttgart) ein, wie man ihn sich viel öfter in dieser Form wünschen würde – höchst informativ und gleichzeitig höchst unterhaltsam. Mehr als 250 Kunsterzieherinnen und Kunsterzieher hatten sich im Vortragssaal der Staatsgalerie versammelt, um auf eine Architekturreise zu gehen, die über die Ausgangspunkte Stirling und Ando bis in die Antike reichte, und schließlich nach einer sehr großzügig gemessenen Stunde im Museum des kleinen norditalienischen Städtchens Giornico zu Ende ging.
Prof. Lederer, der „Öffentliche Bauten und Entwerfen“ an der
Universität Stuttgart lehrt, begann seinen Vortrag zunächst mit Stirling
und dessen Hauptwerk, der Staatsgalerie. Sehr interessant war hierbei
vor allem auch, wie der Zeitzeuge Lederer die ideologischen Grabenkämpfe
zwischen den „demokratischen Architekten“ um Behnisch und den
Befürwortern postmoderner Bauwerke schilderte. Gerade für jüngere
Zuhörer eine neue Perspektive, die Staatsgalerie nicht als postmoderne
Ikone, sondern als architektonischen Zankapfel präsentiert zu bekommen.
Nach einigen interessanten Parallelen zwischen Schinkel und Stirling
leitete Prof. Lederer schließlich zum Hauptgegenstand seines Vortrages
über – der Langen Foundation von Tadao Ando. Er verbarrikadierte sich
hierbei in keinster Weise hinter wissenschaftlich-trockenen Fakten,
sondern bot den Zuhörern ein sehr differenziertes Bild des Architekten
und seines Bauwerkes – und zwar aus den Perspektiven des
Hochschullehrers, des Architekturhistorikers, des praktisch geschulten
Architekten und des Privatmenschen. Das Zentrum bildete hierbei ein neun
Aspekte umfassender Vergleich, der Andos Bau mit den
unterschiedlichsten Kontexten und Vorbildern verknüpfte – allen voran
seine intensive Beschäftigung mit Le Corbusier, des weiteren Parallelen
zu Louis I. Kahn, der antiken Cella oder etwa unterirdischen
Wassertempeln des Buddhismus. Dazwischen illustrierte Lederer den einen
oder anderen Aspekt immer wieder mit Anekdoten aus dem Architektenalltag
– so ließ beispielsweise Ando während seiner Lehrtätigkeit die
Studenten sämtliche Grundrisse von Le Corbusiers früher Werkphase
abpausen, um deren Formgefühl zu schulen.
Eine große Qualität der Betrachtung lag vor allem darin, dass Prof.
Lederer das Bauwerk nicht aus der Perspektive des ehrfürchtigen
Bewunderers darlegte, sondern recht augenzwinkernd den Sockel des
japanischen „Stararchitekten“ immer wieder auf Bodenniveau herabsenkte –
so zum Beispiel, wenn er höchst unterhaltsam seinen langen, langen Weg
(der ja bekanntlich auch das Ziel sei) zum Mittelpunkt des Museums
schilderte, und das Ganze dann in den Kontext der Bauvorschriften zur
Fluchtwegplanung setzte, die dann doch ganz unprosaisch die
Direktverbindung darstellen.
Zum Schluss warf Lederer die provokative Frage auf, ob wir in einer
nicht mehr so rosigen Zukunft überhaupt noch diese überteuerte
„Labelarchitektur“ brauchen werden – all die Hadids, Gehrys und Andos,
in denen Hochzeitsgesellschaften und Firmen um Büffets voller
Krabbenschwänze stünden, und Architektur zum reinen „Event“ verkomme –
ähnlich der so genannten „Porsche-Cayenne-Mentalität“: sicherlich ein
ästhetisches Auto, aber genau genommen auch vollkommen überflüssig.
Dahingegen schilderte Lederer zum Abschluss sein persönliches
Lieblingsmuseum, ein versteckt gelegenes Geheimmuseum im hochalpinen
Giornico, das ähnlich wie die Ausstellungspavillons der Museumsinsel
Hombroich den Besucher auf eine sehr intime Art und Weise Kunst
entdecken und erleben lässt.
Der langanhaltende Applaus und die sehr gute Stimmung im Anschluss
verrieten die sehr positive Resonanz der zum Teil von weit her
angereisten Kunsterzieher, denen über den reinen Informationswert auch
eine sehr kurzweilige Unterhaltung geboten worden war – sozusagen ein
richtiges „Event“.